Rede · Lars Harms · 17.10.2024 Politisch Verfolgte genießen Asylrecht

„Wir befinden uns in Zeiten, in denen wir das deutsche Asylrecht scheinbar wieder verteidigen müssen. Wir als SSW werden das tun.“

Lars Harms zu TOP 32 - Die von Schleswig-Holstein im Bundesrat vorgeschlagenen Maßnahmen in der Migrationspolitik müssen zügig umgesetzt werden (Drs. 20/2585)

Zwei Bundesratsinitiativen hat die Landesregierung eingereicht. Eine, die gleichzeitig für „Ordnung, Steuerung, Begrenzung und Humanität in der Migrationspolitik“ sorgen soll und eine, die das Strafgesetzbuch mit Blick auf die Terrorismusbekämpfung verbessern soll. Unverkennbar Maßnahmen, die noch aus dem NRW-Papier übernommen worden sind. Als wir im September die Papiere aus Schleswig-Holstein und NRW übereinandergelegt haben, hatten wir die fehlenden Bundesratsinitiativen eigentlich sozusagen als grünen Verhandlungserfolg gewertet. Von daher waren wir als SSW schon milde überrascht gewesen, als der Ministerpräsident uns dann in seiner Regierungserklärung darüber informierte, dass Schleswig-Holstein gemeinsam mit den Ländern Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg eben jene Bundesratsinitiativen planen würde. Keine zwei Stunden später wurden sie dann ja auch als Unterrichtung an uns alle verschickt.

Sie wollen für mehr Dublin-Überstellungen sorgen, die Bundesregierung weitere Rücknahmeabkommen abschließen lassen und sogar nicht näher definierte Straftäter nach Syrien und Afghanistan abschieben. Vor allem aber zwei Punkte haben uns aufhorchen lassen. Der Punkt 8 zur zügigen Umsetzung der Asylverfahren an den EU-Außengrenzen und der Punkt 9 zu den beschleunigten Asylverfahren per Automatismus für Menschen, die aus den sogenannten sicheren Herkunftsstaaten kommen.

Fangen wir mit Punkt 9 an: Wir befürworten es nicht, wenn für einen immer größer werdenden Kreis an Menschen pauschal verkürzte Verfahren eingeführt werden sollen. Wir sind immer noch der Auffassung, dass die Feststellung von sogenannten sicheren Herkunftsstaaten dazu führt, dass das individuelle Asylrecht untergraben wird. Denn entgegen der Behauptung in Ihrer Bundesratsinitiative ist davon das individuelle Recht auf Asyl natürlich berührt. Wir sind immer noch der Meinung, dass jeder einzelne Antrag für sich behandelt werden muss und es eben keine Einschränkungen im Verfahren geben darf, nur weil man womöglich aus einem „falschen“ Land kommt.

Aber auch die Asylverfahren an den EU-Außengrenzen machen uns Sorgen, das ist der Punkt 8 in der Bundesratsinitiative. Erst im Frühjahr hat die Europäische Kommission mit GEAS eine Reform verabschiedet. Migranten sollen zwar einreisen können, aber an der Grenze in Einrichtungen gesammelt werden, ein Verfahren begonnen und dann entweder weitergeleitet oder eben doch abgeschoben werden. So weit, so theoretisch gut. Allerdings wissen wir nicht, welcher Asylrechtsbegriff hier an den EU-Außengrenzen gelten soll. Andere Staaten haben gänzlich andere Regelungen und manchmal soll ja sogar das Asylrecht wie in Polen völlig ausgesetzt werden. Da kann man dann nicht eine Bundesratsinitative starten, ohne wirklich zu wissen, ob unser Asylrecht nicht doch ausgehebelt wird. 
Und vorgestern legte Ursula von der Leyen bereits einen weiteren 10-Punkte-Plan vor. Mit diesem sollen Asylverfahren in Staaten außerhalb der EU verlegt werden, ganz nach dem Vorbild von Giorgia Melonis Abkommen mit dem EU-Beitrittsland Albanien, womöglich aber mit Abschiebezentren in afrikanischen Staaten wie Ruanda.

Ich möchte daher einmal eines festhalten. 
Das deutsche Asylrecht ist im Artikel 16a, Absatz 1 des Grundgesetzes festgeschrieben. Darin heißt es: "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht". Und das hat seine historischen Gründe. Während des Zweiten Weltkrieges hätten mehr Jüdinnen und Juden und weitere von den Nazis verfolgte Menschen gerettet werden können, hätten mehr Staaten sie als Flüchtlinge aufgenommen. 1938 gab es auf Initiative von US-Präsident Roosevelt eine Konferenz in Évian mit Vertretern von 32 Staaten, um gemeinsame Aufnahmemöglichkeiten zu finden. Kaum ein Land war dazu bereit. Menschen, die von den Nazis politisch verfolgt wurden und in andere Staaten hätten fliehen können, hatten keinerlei rechtliche Möglichkeiten, dies wirklich tun zu können. Dass wir das Grundrecht auf Asyl 1949 in das Grundgesetz aufgenommen haben, ist eine direkte Reaktion darauf. Politisch Verfolgte sollen bei uns Schutz finden. Wir befinden uns in Zeiten, in denen wir dieses Recht scheinbar wieder verteidigen müssen. Wir als SSW werden das tun.

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