Rede · 23.01.2014 Pflegekammer bietet große Chancen für die Pflege

Ich möchte es vorweg deutlich sagen: Der SSW ist nie Verfechter des Kammergedankens gewesen. Wir konnten und können uns ein System ohne Kammern gut vorstellen. Daran hat sich nichts geändert. Wir leben aber in einer Gesellschaft, in der es Kammern gibt. Und da steht unsere prinzipielle Ablehnung in einer Abwägung zu den konkreten Gegebenheiten, wo gleichwertige Bedingungen dann natürlich auch eine Rolle spielen. Wir haben es uns in der Frage der Pflegekammer nicht leicht gemacht und das Für und Wider sehr intensiv diskutiert. Der Grund für unser „ja“ liegt darin, dass die Pflege einen enorm hohen Stellenwert für den SSW hat. Einzig und allein deshalb haben wir in diesem besonderen Fall, im Sinne der Pflegenden, zugestimmt.

Persönlich bin ich mit den Problemen in der Pflege, wie etwa die hohe Arbeitsbelastung, die viel zu geringe Wertschätzung oder die allzu niedrige Bezahlung, schon seit über 20 Jahren regelmäßig konfrontiert. Mitglieder meiner Familie, die in der Pflege tätig waren, haben genau hier drunter schon vor vielen Jahren gelitten. Sogar so sehr, dass sie es letzten Endes nicht mehr ausgehalten und der Pflege den Rücken gekehrt haben. Und dabei ist mir durchaus bewusst, dass sich seitdem wichtige Faktoren, wie etwa der Personalschlüssel, noch weit ungünstiger entwickelt haben.

Wir alle wissen es: So vielfältig wie die Probleme im Pflegebereich, sind auch die Maßnahmen, die für eine Verbesserung der Situation nötig sind. Wir brauchen dringend erträglichere Arbeitsbedingungen. Wir brauchen verbesserte Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Und wir brauchen nicht zuletzt auch eine bessere Bezahlung. Außerdem muss die Fort- und Weiterbildung von professionell Pflegenden mit den steigenden Anforderungen Schritt halten. Und bei all dem darf der soziale Aspekt der Pflege auf gar keinen Fall vernachlässigt werden. Diese Herausforderungen gibt es heute genau wie vor 20 Jahren.

Wenn die Gegner einer Pflegekammer, allen voran CDU und FDP, hier und heute aber behaupten, dass all diese Probleme auch ohne eine Kammer lösbar sind, dann frage ich mich ernsthaft, warum denn bisher kaum etwas passiert ist? Ganz offensichtlich hat die Pflege dann doch keine so große Bedeutung, wie jetzt gerne behauptet wird. Fakt ist: Weder Politik noch Arbeitgeber oder Gewerkschaften haben sich hier bisher mit Ruhm bekleckert. Wenn ich vor diesem Hintergrund auch noch von Arbeitgebern in der Pflegebranche höre, dass sie ja das größte Interesse an attraktiven Arbeitsbedingungen für ihre Fachkräfte hätten - und damit eigentlich die besseren Arbeitnehmervertreter seien - muss ich mich jedenfalls sehr wundern.

Um es vorsichtig zu formulieren: Die Tatsache, dass der Widerstand gegen eine Pflegekammer fast ausschließlich von Arbeitgeberseite kommt, sollte einen zumindest einmal nachdenklich stimmen. Ich persönlich frage mich dann schon, was die Arbeitgeber in der Pflege denn eigentlich zu befürchten haben? Wenn sie wirklich ein so großes Interesse an guten Arbeitsbedingungen und einer erhöhten Attraktivität des Pflegeberufs haben, dann sollten sie die Kammer doch eigentlich begrüßen. Denn nach meinem Verständnis wird sie genau diese wichtigen Dinge, wie etwa Weiterbildungs- und Qualitätsstandards, die allgemeinen Arbeitsbedingungen oder aber das Thema Berufsordnung, im Interesse der Pflegefachkräfte weiter voranbringen.

In einem Punkt will ich den Kritikern gerne Recht geben: Man darf keine falschen Erwartungen wecken, wenn es um die Arbeit der Pflegekammer geht. Sie ist sicher nicht die eierlegende Wollmilchsau, die alle Probleme im Pflegebereich von jetzt auf gleich lösen kann. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass sie aus verschiedenen Gründen ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist: Pflege wird mit ihr im verkammerten Gesundheitswesen endlich auf Augenhöhe vertreten sein. Die bisher eher zersplitterte Gruppe der professionell Pflegenden wird durch sie mit einer starken Stimme sprechen. Und auch wir als Landespolitiker haben in Zukunft einen gewichtigen Ansprechpartner und können wertvolle Impulse für die Weiterentwicklung der Pflege erwarten. Dies gilt ganz besonders für ethische Fragen, die für die Zukunft im Pflegebereich immer wichtiger werden.

Ich denke es wurde wirklich lange genug über die Pflege und nicht mit ihr gesprochen. Dabei wurde oft auch über die Köpfe der Betroffenen hinweg entschieden. Aus Sicht des SSW müssen die Pflegenden endlich selbst die Möglichkeit bekommen, die Weiterentwicklung der Pflege aktiv zu gestalten. Und die Kammer ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Selbstbestimmung.

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