Rede · Christian Dirschauer · 21.09.2023 Pflege muss bezahlbar werden

„Alle haben Anspruch auf genau die Pflege, die sie brauchen. Und zwar menschenwürdig und bezahlbar.“

Christian Dirschauer zu TOP 19 - Bewohnerinnen und Bewohner in Pflegeheimen bei Eigenanteilen entlasten – Investitionskosten übernehmen und Pflegevollversicherung einführen (Drs. 20/1263)

Das Problem steigender Eigenanteile in der Pflege ist nicht neu. Aber es spitzt sich leider immer weiter zu. Denn Pflegeleistungen und damit auch die Unterbringung in einem Pflegeheim werden deutlich teurer. Das liegt zum einen daran, dass in den Einrichtungen endlich im Rahmen der Tariftreue nach dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung gezahlt wird. Aber es liegt eben auch an den steigenden Sach- und Investitionskosten, an denen die Bewohnerinnen und Bewohner in Einrichtungen der stationären Altenpflege beteiligt werden. Im Ergebnis müssen sie mittlerweile durchschnittlich 1913 Euro im Monat selbst zahlen. Für das erste Unterbringungsjahr liegt der Eigenanteil absehbar sogar bei 2500 Euro monatlich. Und auch wenn das im Ländervergleich sogar noch günstig ist, übersteigen diese Summen die finanziellen Möglichkeiten von immer mehr Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen. 

Es ist also traurige Realität, dass sich immer weniger Menschen ihren Platz im Pflegeheim leisten können. Der Verweis auf das Pflegewohngeld, dass das Land nur in bestimmten Fällen und ohnehin nur für Sozialhilfebedürftige zahlt, greift zu kurz. Durch diese 2 oder 300 Euro monatlich für einen kleinen Personenkreis lässt sich diese Entwicklung leider nicht stoppen. Aus Sicht des SSW haben aber alle Menschen Anspruch auf genau die Pflege, die sie brauchen. Und zwar vor allem menschenwürdig und bezahlbar. Deshalb müssen wir dringend dafür sorgen, dass wir die seit Jahren laufende Tendenz in Richtung einer Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Pflege stoppen. Für uns sind weder Pflege noch Krankenversorgung irgendwelche Waren, bei denen Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen dürfen. Es kann nicht angehen, dass Menschen mit weniger Geld nicht mehr wissen, wie sie im Alter versorgt werden. Es ist und bleibt unsere Aufgabe, sicherzustellen, dass Pflege für alle bezahlbar bleibt. 

Keine Frage: Pflege zukunftsfest, hochqualitativ und solidarisch zu organisieren, ist eine Riesenherausforderung. Deshalb freut mich ausdrücklich, dass auch die Koalition die Notwendigkeit einer umfassenden Strukturreform erkennt. Doch vielen Menschen droht schon heute Armut durch Pflegebedürftigkeit. Und vor diesem Hintergrund und mit dem Ziel, sie kurzfristig zu entlasten, haben wir die ersten beiden Punkte beantragt. Angesichts der prekären Situation vieler Pflegebedürftiger reicht es nicht, nur auf den Bund zu zeigen. Auch das Land kann hier über die Finanzierung der Investitionskosten einen wichtigen Beitrag leisten. Mir ist bewusst, dass es sich beim Paragrafen 9 des SGB 11 um eine Kann-Regelung handelt. Doch das Land sollte diese Möglichkeit dringend nutzen und die hier genannten „betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen“ der Heime fördern. Allein diese Maßnahme würde die Bewohnerinnen und Bewohner schnell und unbürokratisch um über 500 Euro entlasten. Und verbunden mit der Finanzierung der pflegerischen Versorgungskosten durch die Pflegeversicherung hätten gerade diejenigen, die mittlere Renten oder Einkommen haben, endlich wieder Luft zum Atmen. 

Doch wie gesagt: Wenn wir ehrlich sind, dann muss die Finanzierung der Pflege so schnell wie möglich und vor allem grundlegend reformiert werden. Es kann nicht angehen, dass bald jeder fünfte Mensch im Heim auf Hilfe vom Sozialamt angewiesen ist. Noch dazu ist klar, dass der Bedarf an Pflege und die Kosten hierfür absehbar weiter steigen. Egal ob ambulant, stationär oder durch pflegende Angehörige: Pflege muss endlich als gesamtgesellschaftliche Aufgabe anerkannt und auch entsprechend finanziert werden. Deshalb ist für uns die rein steuerfinanzierte Variante die sauberste Lösung. Eine solidarische Pflegevollversicherung würde sicherstellen, dass Menschen, die viel besitzen auch entsprechend viel zu einer funktionierenden Pflegeinfrastruktur beitragen. Und es wäre gewährleistet, dass Menschen, die wenig haben trotzdem menschenwürdig gepflegt werden, ohne dabei zu verarmen. Und genau das muss doch das absolut vorrangige Ziel auch in der Landespolitik sein. 

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