Rede · Christian Dirschauer · 21.09.2023 Modellvorhaben zu Drug-Checking in Schleswig-Holstein starten

„Drug-Checking hat nicht nur präventive Wirkung, sondern kann Leben retten“

Christian Dirschauer zu TOP 17 - Modellvorhaben zu Drug-Checking in Schleswig-Holstein starten (Drs. 20/1195)

Wie in unserem Antrag erwähnt, hat der Bundestag erst vor einigen Monaten den Weg für ein wirklich rechtssicheres Drug-Checking geebnet. Dass die Landesregierung daraufhin direkt pauschal abgelehnt hat, diese Möglichkeit nutzen zu wollen, hat uns doch sehr verwundert. Denn selten gibt es drogenpolitische Ansätze, bei denen die Pro-Argumente so klar überwiegen. Oder anders gesagt: Kaum eine Maßnahme im Bereich der Drogenpolitik ist so sinnvoll und einleuchtend, wie die Analyse von Drogen und die damit zwingend verbundene Beratung der Konsumierenden. Für den SSW zählt dieses Instrument deshalb schon lange zu einer zeitgemäßen Suchtpolitik, die möglichst früh über Risiken aufklärt und Schäden von Konsumierenden abwendet. Erfahrungen aus Ländern wie den Niederlanden, Frankreich oder Spanien zeigen deutlich, dass Drug-Checking nicht nur präventiv wirkt, sondern im Zweifel sogar Leben rettet. 

Wenn auch kurz vor knapp, hat sich mittlerweile auch die Koalition dazu durchringen können, hier einen kleinen, zarten Erprobungsversuch zu wagen. Das war absehbar, denn man kann sich in dieser Frage nun mal nicht länger hinter dem Argument mangelnder Rechtssicherheit verstecken. Und das, was uns die Koalition mit ihrem Alternativantrag vorlegt, ist natürlich besser als nichts. Aber es ist eben auch bitter nötig. Denn nicht nur die Zahl der Konsumierenden, sondern auch die der Drogentoten in Deutschland steigt. Und vor diesem Hintergrund müssen wir dringend auch auf Landesebene unsere drogenpolitischen Ansätze und Maßnahmen hinterfragen. Und wir sollten vor allem auch alle Möglichkeiten nutzen, die sich uns bieten, um suchtkranken Menschen zu helfen oder sie im Idealfall davor bewahren, überhaupt suchtkrank zu werden. Da darf man aus meiner Sicht auch gerne eine Spur ambitionierter vorgehen. 

In Berlin wird Drug-Checking bekanntlich schon seit einigen Monaten angeboten. Hier zeigt sich, dass die Nachfrage extrem hoch ist, und dass vor gut der Hälfte aller untersuchten Proben gewarnt werden muss. Und im Gespräch mit den dort Tätigen wurde uns vor allem auch berichtet, dass gerade die Menschen erreicht und sensibilisiert werden, die man als „funktionierende Konsumierende“ bezeichnen kann. Also Menschen, die zum Beispiel an den Wochenenden oder einmal im Monat Drogen nehmen und einem geregelten Leben nachgehen. Für diese Personen hat das mit der Drogenanalyse verbundene Beratungsgespräch oft einen nachhaltig positiven Effekt. Denn vielen werden die Risiken und möglichen Langzeitfolgen des Drogenkonsums erst hier bewusst. Natürlich lässt sich schwer messen, wer durch Drug-Checking und entsprechende Beratung ein Problembewusstsein entwickelt. Und ganz ohne Frage erreicht man hiermit nicht alle. Aber Fakt ist, dass solche Angebote in vielen Fällen Schäden durch den Konsum von verunreinigten oder überdosierten Drogen verhindern. Und deshalb sollten wir Drug-Checking dringend auch in möglichst großem Umfang bei uns in Schleswig-Holstein nutzen. 

Ich verstehe nicht, warum die Koalition ihren Antrag so zurückhaltend und defensiv formuliert. Es ist doch völlig klar, dass der Kern aller Drug-Checking Angebote Aufklärung und Sensibilisierung für die Risiken des Konsums sind. Es geht nicht um Verharmlosung oder Normalisierung. Und gerade, weil nicht nur die Grünen Drug-Checking seit langem fordern, sondern sich auch die CDU in Sachen Drogenpolitik endlich auf den Weg gemacht hat und laut Programm zumindest verstärkt auf Prävention setzen will, frage ich mich, was dagegenspricht, hier selbstbewusst voranzugehen. Das Interesse vor Ort ist definitiv vorhanden. Mir sind mehrere Träger bekannt, die gerne ein solches Modellprojekt in ihren Strukturen umsetzen würden. Und auch enger werdende Finanzspielräume kaufe ich nicht als Gegenargument. Denn die Umsetzung in Berlin, die sogar über drei unterschiedliche Anlaufstellen organisiert ist, kostet jährlich nicht mehr als 200.000 Euro. Wenn man bedenkt, dass wir Menschen damit nicht nur vor Schäden, sondern sogar vor Todesfolgen bewahren können, ist der finanzielle Einsatz wirklich mehr als überschaubar. Da wünsche ich mir doch sehr, dass die Landesregierung mit mehr Tatkraft vorangeht. Die Unterstützung des SSW ist Ihnen jedenfalls sicher. 

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