Rede · Christian Dirschauer · 24.09.2020 Lücken im Versorgungssystem erkennen und schließen
Es geht darum, allen die direkt oder indirekt von Demenz betroffen sind, ein gutes Leben zu ermöglichen
Christian Dirschauer zu TOP 44 - Bericht zum Umsetzungsstand des Demenzplans für Schleswig-Holstein (Drs. 19/2309)
Es mag griffigere Themen geben als einen Demenzplan. Aber wir sollten uns eins vor Augen führen: im Kern geht es darum, eine möglichst breit getragene Strategie für die zukünftige Unterstützung und Versorgung von Menschen mit Demenz zu entwickeln. Es geht um verbesserte medizinische Hilfe aber auch um Prävention, Forschungsförderung, öffentliche Bewusstseinsbildung und darum, Menschen für den adäquaten Umgang mit Demenzkranken zu schulen. Oder anders gesagt: Es geht darum, allen Menschen die direkt oder indirekt von Demenz betroffen sind, ein gutes Leben zu ermöglichen.
Der SSW hat schon in der 17. Wahlperiode einen Demenzplan gefordert und diesen schließlich in der Küstenkoalition mit SPD und Grünen umgesetzt. Unsere grundlegende Erwartung war, die Versorgungsstrukturen des Landes aufzuzeigen und qualitätsgesichert weiterzuentwickeln. Natürlich gab es auch damals schon ein großes Engagement und viele Angebote für diese Zielgruppe. Aber eben keine übergreifende Strategie für eine wirklich flächendeckende und sektorübergreifende Unterstützung und Versorgung von Menschen mit Demenz. Mit der Einführung des Demenzplans sollten bestehende Angebote daher nicht nur gebündelt, sondern auch Lücken im Versorgungssystem erkannt und geschlossen werden.
Uns ist bewusst, dass diese Aufgabe und die Umsetzung generell ein dickes Brett ist. Gerade deshalb haben wir diesen Bericht gefordert und explizit auch nach Weiterentwicklungsbedarfen gefragt. Ich denke, dass uns heute trotz geringer Rückmeldungen aufgrund der Corona-Pandemie ein guter Überblick vorliegt. Dafür möchte ich mich beim Ministerium und vor allem beim Kompetenzzentrum Demenz bedanken. Wir können sehen, dass vielfältige Maßnahmen auf den Weg gebracht und schon viele Empfehlungen aus dem Demenzplan umgesetzt wurden. Es werden nicht nur mehr Menschen aus unterschiedlichen Berufsgruppen aber auch Ehrenamtler geschult. Auch die Pflegestützpunkte werden als wichtige Anlaufstellen vor Ort gestärkt. Unterm Strich konnten damit also schon deutlich mehr Menschen für die Belange von Demenzkranken sensibilisiert und mehr Angehörige beraten werden. Das ist im Sinne der Betroffenen und freut uns sehr.
Mir ist trotzdem wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir es mit einem dauerhaften Prozess zu tun haben. Soll heißen: Wir haben zwar konkrete Empfehlungen im Demenzplan die sukzessive abgearbeitet werden. Aber wir werden nie an den Punkt kommen, an dem alles abgehakt ist. Im Gegenteil: Wenn wir die Sicht der Betroffenen und ihrer Familien einnehmen, stehen wir mitunter noch ziemlich am Anfang. Das gilt für vermeintlich banale Fragen, wie zum Beispiel danach, wie wir dem allgemein steigenden Beratungsbedarf auch in der Fläche gerecht werden können. Aber auch für aktuelle Herausforderungen wie die Corona-Pandemie, die für Menschen mit Demenz häufig besonders belastend ist und für die Zukunft mitgedacht werden muss.
Keine Frage: Der Demenzplan ist vor allem als politische Verpflichtungserklärung zu verstehen. Und die Jamaika-Koalition scheint diese Ansicht auch weitestgehend zu teilen. Ich will lobend erwähnen, dass sowohl der steigende Handlungsbedarf als auch der langfristige Einsatz in Sachen Demenz im Bericht anerkannt wird. Daraus folgt für uns aber vor allem eins: Nicht nur Kommunen und Kreise sind in der Pflicht, wenn es um gute Rahmenbedingungen und um Lebensqualität für Demenzkranke und ihre Angehörigen geht. Auch wir als Land müssen dauerhaft am Ball bleiben und zum Beispiel dafür sorgen, dass das Kompetenzzentrum Demenz seine wirklich wichtige Arbeit über das Jahr 2022 hinaus fortsetzen kann. Und wir sollten immer im Blick haben, ob es bei Projekten wie etwa der mobilen Demenzberatung, für die wir uns bei den vergangenen Haushaltberatungen erfolgreich eingesetzt haben, Finanzierungslücken gibt.
Machen wir uns nichts vor. Nur durch diesen dauerhaften Einsatz auf allen Ebenen werden wir wirklich zu verbesserten Lebensbedingungen und zu einem größeren gesellschaftlichen Verständnis für die wachsende Zahl von Demenzkranken kommen. Und nur so kann es uns zumindest langfristig gelingen, dem unheimlich wichtigen Thema Prävention die nötige gesundheitspolitische Aufmerksamkeit zu schenken. Denn auch wenn eine Demenz nicht heilbar ist, kann der Ausbruch und Verlauf der Erkrankung durch gezielte präventive Maßnahmen oft um viele Jahre hinausgezögert werden. Das ist in meinen Augen die eigentliche Aufgabe, an der wir gemeinsam arbeiten müssen.