Rede · Jette Waldinger-Thiering · 15.12.2022 Kettenverträge sind nicht naturgegeben
„Die Herausforderungen an den Schulen steigen! Daher muss das Personalmanagement Schritt halten. Ein schrittweise aufzufüllender Pool wäre dazu das geeignete, flexible Instrument gegen Kettenverträge.“
Jette Waldinger-Thiering zu TOP 16 - Praxis der Kettenverträge beenden (Drs. 20/403 und 20/493)
Kettenverträge sind kein neues Thema. Ich muss einräumen, dass es nicht einfach ist, dieses Problem zu lösen, denn Personalplanung und Personaleinsatz sind kompliziert und herausfordernd; vor Allem, wenn sehr viele Faktoren eine Rolle spielen. Zu diesen Faktoren gehören die Fächerkombination, die regionale Präferenz und das Stundendeputat. Das muss zu den jeweiligen Schulen passen. Dazu kommen die Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger, die oftmals mitten im Schuljahr zum Zuge kommen wollen. Diese Faktoren treffen zudem auf ein sehr striktes und unflexibles öffentlich-rechtliches Dienstrecht, was die Angelegenheit weiter kompliziert.
Aber: ein kompliziertes Verfahren muss nicht unbedingt bedeuten, dass ich die Kettenverträge als quasi naturgegeben absegne. Die regierungstragenden Fraktionen wollen in ihrem Alternativantrag genau das suggerieren: ohne Kettenverträge ginge es nicht. Diese Kapitulation teile ich nicht.
Schauen wir uns andere Bundesländer an, wie sie mit dieser Herausforderung umgehen. Ich denke, dass eine Poollösung ein geeigneter Weg ist, die Praxis der Kettenverträge endgültig den Garaus machen zu können. Es ist hier schon gesagt worden, dass die Kettenverträge angesichts des offensichtlichen Lehrkräftemangels völlig aus der Zeit gefallen sind.
In Rheinland-Pfalz wurde stückchenweise ein sehr großer Vertretungspool für Lehrkräfte aufgebaut. Jedes Jahr kommen neue Stellen dazu. Damit bekommen immer mehr junge Lehrkräfte einen festen Vertrag; wenn auch zunächst in einem Pool; also ohne feste Zusage einer Schule. Das bedeutet Planungssicherheit für die jungen Fachkräfte und keine lange, oftmals unterbrochene Kette mit Zeitverträgen. Allerdings sehe ich den Vertrag auch als ein klares Bekenntnis der Anerkennung für die jungen Kolleginnen und Kollegen. Ein angenehmer Nebeneffekt sei die Verjüngung des Lehrkörpers, hört man aus Mainz. Die jungen Uni-Absolventen bleiben dem Land Rheinland-Pfalz erhalten und wandern eben nicht in die Nachbarbundesländer ab.
Dieses Modell, das übrigens auch den Schulen mehr Spielraum für eigene Entscheidungen gewährt, ist ein gutes Vorbild. Wir hörten schon 2020 im Ausschuss, dass einige Schulen teilweise acht und mehr Verträge mit einer Lehrkraft geschlossen hatten. In diesen Fällen, wo Lehrkraft und Schule prima miteinander harmonieren, muss es möglich sein, dass die Schule einen guten Weg findet, die Kettenverträge zu beenden und eine Entfristung hinzukommen.
Was am wichtigsten erscheint, ist die Tatsache, dass ein Pool die Kettenverträge überflüssig machen kann. Fangen wir endlich an, Alternativen zu dem bekanntermaßen schlechten Kreislauf von Einstellung, Vertragsende, Sommerferienpause und Einstellung umzusetzen.
Ich möchte ganz energisch dem Alternativantrag der regierungstragenden Fraktionen widersprechen, wonach wir es mit einem Informationsdefizit der Lehrkräfte zu tun hätten. Darum bitten sie um eine systematische Beratung der befristet Beschäftigten. Ich empfinde das als einen Schlag ins Gesicht der engagierten Kolleginnen und Kollegen, denen unterstellt wird, dass sie nicht in der Lage wäre - durch was auch immer - den Übergang in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis hinzukriegen. Die Kettenverträge sind nicht der Wunsch der Kolleginnen und Kollegen, sondern in den allermeisten Fällen eine Kostenfrage.
Diese Probleme betreffen übrigen nicht nur die Lehrkräfte, sondern das ganze multiprofessionelle Team an der Schule. Wie kann es sein, dass die Schulbegleitungen immer neue Vertrags-Runden drehen müssen, bis sie genervt das Handtuch werfen? Auch hier sind Entfristungen das geeignete Mittel, die Fachkräfte in den Schulen zu halten. Auch hier müssen die Kettenverträge immer die zweite Wahl sein.
Ziel muss das entfristete Arbeiten für alle Profis an unseren Schulen sein. Das ist schon lange die Forderung von Beschäftigten, Eltern und Schülerinnen und Schülern. Mit festen Verträgen entwickeln sich Bindungen und so wächst Vertrauen. Ich wünsche und fordere von der Landesregierung nachdrücklich einen belastbaren Einstieg aufs der bisherigen Kettenverträge-Praxis. Ich mag mich nach Jahrzehnten der Kettenverträge nicht mehr vertrösten lassen, sondern erwarte ein Maßnahmenpaket noch vor dem nächsten Schuljahr.
Die Herausforderungen an den Schulen steigen! Daher muss das Personalmanagement Schritt halten. Ein schrittweise aufzufüllender Pool wäre dazu das geeignete, flexible Instrument gegen Kettenverträge.