Rede · 31.05.2006 Gesetz zur Neurordnung von Amtsgerichtsbezirken

Die Neuordnung der Amtsgerichtsbezirke hat in den betroffenen Regionen des Landes für erheblich Unruhe und Widerstand gesorgt. Dies wundert niemanden, denn mit der geplanten Strukturveränderung gehen bei fünf Amtsgerichten im Land die Lichter aus. Dass dies vor Ort niemand wünscht ist mittlerweile mehr als deutlich geworden, schließlich liegen uns die umfangreichen Stellungnahmen zum vorgelegten Konzept der Landesregierung vom August des letzten Jahres vor. Auch hat es hier im Landtag bereits eine ausführliche Debatte zur Reform bei den Amtsgerichten gegeben.
Doch nun liegt uns der Gesetzentwurf der Landesregierung vor. Und es ist zu erkennen, dass die Landesregierung keinen Deut von ihren Plänen abgewichen ist. Sie hält an ihrem Beschluss fest, die Amtgerichte Kappeln und Geesthacht zum 1. April 2007, das Amtsgericht Mölln zum 1. April 2008 und die Amtsgerichte Bad Schwartau und Bad Oldesloe zum 1. April 2009 aufzuheben.

Dies ist sehr bedauerlich, denn ich glaube, dass die Landesregierung sich mit ihrer kühlen rechnerischen Planung letztendlich keinen Gefallen tun wird. Denn eines wird bei dem gesamten Rechenwerk um mögliche Einsparungen und Personalbedarfsberechnung völlig außer Acht gelassen, nämlich die weichen Faktoren. Diese finden im vorliegenden Gesetzentwurf leider nicht statt.

Die Landesregierung begründet ihre Entscheidung damit, die Amtsgerichte zukunftsfähig auszurichten. Demnach geht sie davon aus, dass es trotz sinkender Bevölkerungszahl einen Zuwachs von Verfahren geben wird. Ziel der Landesregierung ist es daher, die Amtgerichte so aufzustellen, dass sie auf zukünftige Herausforderungen schnell und flexibel reagieren können. Eine Mindestzahl von acht Richtern je Amtsgericht – zwei Richter für jedes Rechtsgebiet – ist nach Auffassung der Landesregierung das Minimum für die Richterschaft. Die Zahl der Mitarbeiter für ein modernes und flexibles Amtsgericht wurde anhand eines bestimmten Berechnungssystems ermittelt. Demnach sollte die Gesamtbeschäftigtenzahl bei mindestens 67 Mitarbeitern liegen. Aufgrund der zunehmenden Komplexität des materiellen Rechts und der Annahme, dass sich die Verrechtlichung der Lebensverhältnisse künftig verstärken wird, wurden diese Zahlen ermittelt.
Was jedoch bei der Neuordnung der Amtsgerichte völlig außer Acht gelassen wurde, ist die Tatsache, dass diese Amtsgerichte schon jetzt sehr effektiv und effizient arbeiten. Es stellt sich also die Frage, warum sollten sie dies in Zukunft nicht leisten können?
Darüber hinaus ist nicht nachgewiesen, dass größere Gereichte schneller und effektiver arbeite als kleinere Gerichte. Es ist nicht belegt, dass die durchschnittliche Verfahrensdauer bei großen Gerichten kürzer ist als bei kleineren Gereichten.

In der schleswig-holsteinischen Justiz hat es in den letzten 10 Jahren bereits grundlegende Reformen gegeben. Die Einführung des elektronischen Grundbuches oder das elektronische zentralisierte Mahnverfahren sind ein Teil derartiger Reformen. Aber auch bei den Strukturen hat sich Wesentliches geändert. So hat es eine Reorganisation der Aufbau- und Ablaufstruktur gegeben und es wurde eine Professionalisierung der Verwaltung und eine Verbesserung der Personalwirtschaft durchgeführt. Diese Reformen wurden von der Justiz und ihren Mitarbeitern mitkonzipiert und durchgeführt. Aus diesem Grund gehören die schleswig-holsteinischen Gereichte und Amtsgerichte heute zu den modernsten in ganz Deutschland. Dies konnte aber nur erreicht werden, weil es immer eine enge Zusammenarbeit zwischen der Justiz und dem Ministerium geben hat. Eine solche Zusammenarbeit hat es in diesem Fall aber nicht gegeben.
Auch wenn die Landesregierung nach dem Beteiligungsverfahren Änderungen am ursprünglichen Konzept durchgeführt hat, bleibt aber festzustellen, dass sie letztlich die Neuordnung der Amtsgerichte im Alleingang beschlossen hat. Und dann ist es nachvollziehbar, dass die Enttäuschung bei der Justiz über diese Vorgehensweise groß ist.
Dass die Landesregierung auf die zahlreichen Stellungnahmen reagiert hat, lässt hoffen, dass es im parlamentarischen Verfahren durchaus noch Spielraum für weitere Änderungen gibt.

Natürlich hat die Neuordnung der Amtsgerichte auch eine wirtschaftliche Komponente. Das Land will auch hier sparen. Aber dem Konzept der Landesregierung ist zu entnehmen: „Die Strukturreform wird insbesondere für neu anzumietende Liegenschaften aber auch in anderen Bereichen erhebliche Investitionen für das Land erforderlich machen. Auf der anderen Seite zeichnet sich ab, dass sich nur in geringfügigem Maße Einsparungen durch die Reform erzielen lassen werden.“ Inwieweit die Reform also als Sparpaket verkauft werden kann, lasse ich dahingestellt.
Hierzu passt im Übrigen auch Aussage des Präsidenten des Landgerichts Lübeck, der angesichts des demographischen Wandels und der ansteigenden Zahl von Betreuungsverfahren darauf aufmerksam macht, dass die Schließungen kontraproduktiv sind. Denn gerade in Betreuungssachen bedeutet die Konzentration auf wenige Standorte eine erhebliche Ausweitung der örtlichen Zuständigkeiten jedes einzelnen Gerichts und damit deutlich weitere Wege und eine weitere erhebliche Anhebung der Kosten in Betreuungssachen.
Aber auch die Fahrtkosten und der Zeitaufwand werden sich für Rechtsanwälte, die sich an den Standorten der aufzuhebenden Gerichte niedergelassen haben durch die Verlängerung der Anfahrtswege zum zuständigen Amtsgericht erhöhen. Auch wenn die Landesregierung diesen Aspekt eher gering einstuft, summiert er sich doch zu den anderen Kosten.

Ein wichtiger Punkt bei der Neuordnung der Amtsgerichte ist die Bürgernähe der Justiz.
Hierbei verspricht sich die Landesregierung durch größere Amtsgerichte die Servicemöglichkeiten der Gerichte zu verbessern, da diese auch bei Personalausfällen flexibler agieren können. Hierbei wird aber nicht berücksichtigt, dass die Sachentscheider in einem eher kleineren örtlichen Zuständigkeitsbereich die örtlichen Besonderheiten besser kennen.
Auch wenn sich die Entfernungen in den von der Reform betroffenen Regionen zwar vergrößern, befinden sich diese nach Einschätzung der Landesregierung immer noch in einem zumutbaren Rahmen. Dies mag durchaus für einige betroffenen Regionen zutreffen, sofern das Gericht durch öffentliche Verkehrsmittel gut erreichbar ist. Aber wir wissen auch, dass dies auf viele Regionen des Landes nicht zutrifft. Und eine dieser strukturarmen Regionen ist der Standort des Amtsgerichtes Kappeln.

Wir alle wissen, dass gerade die Region um Kappeln seit Jahren durch den Wegzug von Firmen und insbesondere durch den Abzug der Bundeswehr stark gelitten hat.
Wenn die Landesregierung jetzt beabsichtigt, das Amtsgericht in Kappeln zu schließen, ist dies eine weitere Schwächung der Region. Ein solches Signal hat neben der strukturpolitischen Bedeutung eben auch einen symbolischen Charakter. Und wer die Stellungnahmen zum Standort Kappeln gründlich gelesen hat, erkennt den hohen Wert, dass das Amtsgericht in Kappeln für die Bevölkerung hat. Diesen Aspekt muss die Landesregierung berücksichtigen. Sie muss sich ihrer Verantwortung bewusst sein und erkennen, welche fatalen Folgen die Schließung des Amtsgerichts Kappeln mit sich führt.

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