Rede · 09.07.2010 Gemeinsamer Ethik- und Religionsunterricht

Drs. Religionsunterricht in unseren Schulen ist keine Religionskunde, sondern ermittelt grundsätzlich nur den Glauben der Glaubensgemeinschaft, durch den er erteilt wird. Das heißt für Schleswig-Holstein, dass wir an unseren Schulen überwiegend einen evangelischen Religionsunterricht haben, weil über 60 % der Schülerinnen und Schüler evangelisch sind. Die Grundkonzeption des Religionsunterrichts ist mit anderen Worten der konfessionell gebundene Bekenntnisunterricht.
Dieser hat sich, vor allem was die Unterrichtsinhalte angeht, in den letzten Jahren erheblich weiterentwickelt: philosophische, ethische und interreligiöse Fragen nehmen heute einen breiten Raum im Religionsunterricht ein.

Trotzdem bleibt der Bekenntnisunterricht für andere Konfessionen und konfessionslose Familien ein Problem. Ca. jeder zehnte bis zwanzigste Schüler kommt aus einer islamischen Familie. Doch nur die wenigsten von ihnen können am schulischen Islamunterricht teilnehmen. Dieser muss also weiter ausgebaut werden.
Aber inzwischen melden sich berechtigte Zweifel, ob wir wirklich das Modell des konfessionell gebundenen Bekenntnisunterrichtes weiter durch exerzieren und auf weitere Konfessionen ausweiten sollten. Wir müssen uns vielmehr fragen, ob die Art, wie der schulische Religionsunterricht organisiert ist, unseren Kindern weiterhin das richtige Werkzeug an die Hand gibt, wenn es darum geht, sich in einer Welt zurechtzufinden, die einerseits verstärkt von religiösem Fanatismus, Fundamentalismus und von religiös legitimiertem Terrorismus geprägt ist und andererseits von Nihilismus und ausgesprochen anti-klerikalen Tendenzen.

Daher gehört es meines Erachtens zu einer ganz zentralen Herausforderung des Religionsunterrichts an unseren Schulen, nicht nur für mehr Wissen um die Andersgläubigen zu sorgen, sondern noch mehr als bereits jetzt für mehr Toleranz, für mehr Verständigung im Unterricht zu werben. Den Religionsunterricht einfach zu streichen, kommt nicht infrage. Ich möchte allerdings auch betonen, dass eine Streichung keineswegs gleichbedeutend mit der Abschaffung jeglicher Wertevermittlung in den Schulen wäre. Es gehört zu meinen Grundüberzeugungen, dass die Vermittlung humaner und sozialer Werte zum Fundament unseres Schulsystems gehört, die in allen Fächern ihren Platz haben muss. Wenn das nicht der Fall sein sollte, dann hätten wir ein echtes Problem, weil die Schulen ihren gesellschaftlichen Auftrag verfehlt hätten.

Der neue Weg könnte in einem gemeinsamen Ethik- und Religionsunterricht liegen, der alle Schülerinnen und Schülern gerecht wird, weil er eben kein konfessionsgebundener Bekenntnisunterricht ist.

Eine Plöner Elterninitiative „Pro PER“ hat bereits einen sehr konkreten Vorschlag erarbeitet, der ein neues Fach schaffen soll, nämlich PER, also Philosophie, Ethik und Religion. Öffentliche Schulen sollen für alle Schüler des Landes unvoreingenommene Begegnungsstätten sein, ohne dabei Religion aus der Schule zu verbannen. Bekenntnisunterricht bleibt bestehen, allerdings als freiwilliges Wahlfach. Nach Ansicht der Elterninitiative erlaubt der Änderungsvorschlag eine Lösung ohne jede Benachteiligung, die durch Wegfall der Bekenntniserwägungen bei Lehrern und Schülern mehr Flexibilität und Kosteneinsparungen ermöglicht. Aus der bisherigen Entweder-oder-Lösung wird so eine Lösung, die Philosophie und Religion verbindet.

In Brandenburg hat sich das Fach „Lebensgestaltung, Ethik-Religion“, kurz LER, bereits bewährt. Das Fach setzt auf weltanschauliche Neutralität, ohne werteneutral zu sein. Die Schülerinnen und Schüler lernen, sich in einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft mit ihren vielfältigen Wertvorstellungen und Sinnangeboten zunehmend eigenständig und urteilsfähig zu orientieren. Und das scheint gut zu gelingen. Alle Schulen, bei denen zunächst LER erprobt wurde, blieben dabei. Inzwischen bieten alle Schulen LER an.

Wir sollten daher die anstehende Novellierung des Schulgesetzes nutzen, um in dieser Frage einen Schritt weiter zu kommen.

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