Rede · Christian Dirschauer · 29.01.2025 Ein würdevolles und selbstbestimmtes Leben für alle!
„Es muss deutlich mehr getan werden, um die Gesellschaft zusammenzuhalten und allen Menschen ein würdevolles Leben zu ermöglichen“
Christian Dirschauer zu TOP 3+29+36+39+46 - Redebeitrag Haushaltsdebatte 2025 (Einzelplan 10)
Ich habe schon aus meiner Rolle als Sozialpolitiker heraus in den vergangenen Haushaltsberatungen auf einen wichtigen Punkt hingewiesen: Gerade beim Thema Finanzen spielt der Sozialbereich und damit der Einzelplan 10 für den SSW eine zentrale Rolle. Das ist auch völlig logisch, wenn man sich unsere Programme und den Schwerpunkt unserer Initiativen anschaut: Denn hier zeigt sich, dass wir vor allem die Menschen im Blick haben, die am Rand der Gesellschaft stehen und nicht nur unsere Solidarität, sondern auch unsere ganz konkrete Hilfe brauchen.
Nach meiner Auffassung dürfen wir mit Blick auf den Landeshaushalt eins nicht vergessen: Auch diejenigen die keine große Lobby haben, wie etwa Geringverdienende, Alleinerziehende, von Altersarmut bedrohte oder Menschen mit Behinderungen müssen die Möglichkeit bekommen, ihr Leben würdevoll und möglichst selbstbestimmt zu gestalten. Denn so selbstverständlich es auch klingen mag - dieses würdevolle Leben ist hier leider nicht für alle Menschen möglich. Angebote wie die Tafeln, die wir am liebsten mangels Nachfrage schließen würden, werden seit Jahren überrannt. Alters- und Kinderarmut stagnieren auf einem viel zu hohen Niveau. Menschen mit Behinderungen stoßen beim Zugang zum Arbeitsmarkt oder Gesundheitssystem noch immer auf riesige Barrieren. Und wenn ich mir ganz übergeordnet ein Thema wie die Inklusion vor Augen führe, dann zeigt sich deutlich, dass es nicht nur sehr viel zu tun, sondern eben auch einen ganz erheblichen Investitionsbedarf in unsere soziale Infrastruktur gibt.
Mir sind die enger werdenden finanziellen Spielräume unseres Landes bewusst. Und ich will auch gar nicht unterschlagen, dass sich Schwarz-Grün im Sozialetat zu punktuellen Erhöhungen durchringen konnte. Es ist gut und folgerichtig, dass Vereine wie etwa Lichtblick aus Flensburg oder das ZSL hier in Kiel mehr Geld bekommen, um ihre wirklich wichtigen Aufgaben wahrnehmen zu können. Mit Blick auf den gesamten Einzelplan kommen mir aber auch in diesem Jahr erhebliche Zweifel.
Wir haben zum Beispiel zum wiederholten Mal vorgeschlagen, junge Familien durch ein kostenloses Essen in Kita und Tagespflege zu entlasten. Ich wiederhole mich hier gerne: Das kommt genau denjenigen zugute, die es besonders nötig haben. Nämlich Familien mit kleinen Kindern. Noch dazu ist eine solche Maßnahme nicht nur sozialpolitisch geboten, sondern hätte auch einen wichtigen gesundheitspräventiven Effekt. Denn es ist nun mal Fakt, dass längst nicht alle Familien den sozialen Status haben, der sie in die Lage versetzt, zu jedem Zeitpunkt für eine ausgewogene Ernährung zu sorgen.
Eine andere Gruppe, für die wir uns mittlerweile mehrfach im Haushaltsverfahren eingesetzt haben, sind Sehbehinderte und Gehörlose. Durch unsere Forderung nach einem angemessenen Blindengeld und einem Gehörlosengeld wollen wir schlicht und einfach erreichen, dass diese Menschen stärker am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Das ist doch kein Luxus, den man mit der Begründung knapper Kassen vom Tisch wischen kann. Sondern durch Ratifizierung der entsprechenden UN-Konvention ihr verbrieftes Recht. Da ist es schon einigermaßen befremdlich, wenn sich CDU und Grüne für eine Minimalerhöhung feiern, die nicht ansatzweise die Inflation ausgleicht. Noch dazu werden die verfügbaren Mittel innerhalb des Haushaltstitels gar nicht ausgeschöpft. Damit bleibt die Koalition ohne Not hinter ihren Möglichkeiten zurück. Und Schleswig-Holstein weiterhin Schlusslicht unter allen Bundesländern.
Zwar fühlen sich die Betroffenen eher verhöhnt als ernst genommen. Aber während man in Sachen Blindengeld zumindest wohlwollend sagen könnte, immerhin besser als nichts, findet man im Sozialhaushalt viel zu viele Ansätze, die nur überrollt und damit faktisch gekürzt werden. Leidtragende sind zum Beispiel die Landesvereinigung kulturelle Kinder- und Jugendbildung. Ich vermute, dass hier niemand bestreitet, wie wichtig die Arbeit dieser Vereine und Verbände ist. Und doch nehmen die Regierenden mit ihrer Entscheidung den Abbau der Beratungsangebote oder eine Einschränkung der Reichweite in Kauf. Denn wie überall, steigen auch hier die Ausgaben etwa für Löhne und Gehälter oder für Miet- und Sachkosten.
Noch einmal: Auch dem SSW ist bewusst, dass Schleswig-Holstein seine Ausgaben nicht beliebig erhöhen kann. Aber nach unserer Überzeugung kommen wir um fortlaufende Investitionen in unsere soziale Infrastruktur und in präventive Maßnahmen nicht herum. Eine auskömmliche Finanzierung bildet die Grundlage für ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben aller Menschen. Damit verringern wir nicht zuletzt auch ihr Armutsrisiko und ihr Risiko, langfristig auf soziale Leistungen angewiesen zu sein. Ein sozialer Schwerpunkt hilft nachweislich dabei, ungleich verteilte Chancen anzugleichen und Risiken, etwa für Armut oder Erkrankungen, zu verringern. Und das sollte auch im Kontext der Haushaltsberatungen ein übergeordnetes Ziel sein.