Rede · Sybilla Nitsch · 21.11.2024 Ein Rückschritt für faire Löhne
„Fakt ist doch: Wenn wir öffentliche Vergaben nicht an Tarifbedingungen, soziale und ökologische Kriterien knüpfen, schwächen wir unsere tarifgebundenen Betriebe zulasten der Beschäftigten, der Umwelt und des Klimas.“
Sybilla Nitsch zu TOP 10 - Gesetz zur Änderung des Vergabegesetzes Schleswig-Holstein (Drs.20/2286, 20/2659)
Das Vergabegesetz in Schleswig-Holstein wurde zuletzt 2019 novelliert. Nun hat die Landesregierung einen Entwurf erarbeitet, der besser zur Lebensrealität passen und zukunftsfähig sein soll. Den Ansatz könnten meine Fraktion und ich voll und ganz nachvollziehen, wenn Regelungen für das Mindestentgelt oder Tariflöhne geschärft worden wären.
Davon ist nichts zu sehen.
Für die Beratungen im Fachausschuss haben wir dazu sämtliche Aspekte des Entwurfs unter die Lupe genommen. Wir als SSW blicken durchaus kritisch auf das, was die Landesregierung in diesem Fall vorgelegt hat. Natürlich finden auch wir, dass der Vergabemindestlohn nicht mehr zeitgemäß ist und es daher einer Anpassung bedarf.
So weit, so gut. Was jedoch einen bitteren Beigeschmack hervorbringt, ist die Argumentationsweise des Ministeriums. Das Argument, das hochgehalten wird, ist der Bürokratieabbau. Was gemacht wird, ist eigentlich eine Aushöhlung von dem, was faire Löhne tatsächlich beinhalten. Gruselig ist dabei, dass der Absatz im Koalitionsvertrag zum Thema Arbeit, genau das Gegenteil als Ziel darstellt.
Ich zitiere (mit Erlaubnis der Präsidentin), S. 164
„Die Tarifbindung werden wir stärken.“ Hier verlassen Sie den Pfad der Glaubwürdigkeit: Das ist widersprüchliche Politik. Der eingereichte Änderungsantrag macht es nicht besser, allein die Vorgehensweise von der Koalition dazu finden wir als SSW nicht gerade galant. Und inhaltlich soll das nun der große Wurf sein?
Man stelle sich einmal vor, ich hätte nun einen Zettel in der Hand, den klassischen Ausfüllbogen der Verpflichtungserklärung. Diesen bräuchten die Geschäftsstellen der Unternehmen nun nicht mehr ausfüllen. Die Nachweispflicht wie es sie bisher gab, ist passé.
Nur für die kritischen Fälle, etwa bei Verdacht auf Falschangaben, gibt es eine weitere Schleife der Nachweispflicht. Meiner Meinung nach ist dies sicherlich ein nützlicher Ansatz, aber kein inhaltsschwerer Punkt. Vielmehr geht es doch im Kern darum, Aufträge vom Land an faire Unternehmen zu vergeben und dann bitte gerne noch aus unserer Region.
Apropos Region:
das Thema Vergaberecht, Ausschreibungen und öffentliche Aufträge ist tatsächlich ein Thema, womit sich viele Unternehmen im Land intensiv beschäftigen. Dazu gehören sicherlich die großen Betriebe, aber auch von kleineren Unternehmen, wurde ich bereits auf dieses Thema angesprochen. Diese Unternehmen erwarten Antworten und einen Plan für die weitere Zukunft.
Wie wird sich das Land in dieser Frage aufstellen?
Mit dem Gesetzentwurf tun sie es nicht.
Wir als SSW-Fraktion haben die parlamentarische Beratung konstruktiv begleitet und in diesem Zusammenhang auch einen Änderungsantrag ausgearbeitet und eingereicht.
Dabei ging es um den Grundsatz, insbesondere im Bereich des Mindestentgeltes, der Tariftreue sowie der Personalübernahme bei Betreiberwechsel Weiterentwicklungen vorzunehmen, um Lohndumping zu verhindern. Leider wurde dieser Änderungsantrag abgelehnt.
Hier erlaube ich mir die Bemerkung, dass es schon ein Trauerspiel ist, wenn CDU und Grüne nicht mal im Fachausschuss zu den Ergebnissen der Anhörungen sprechen möchten.
Das ist schade und schlussendlich werden meine Fraktion und ich den Gesetzentwurf nicht mittragen können.
Die Inhalte, die vorgelegt wurden, sind schlichtweg nicht tragend genug, um faire Löhne und eine faire Unternehmens- sowie Vergabekultur tatsächlich nach vorne zu bringen.
Es hätte unserer Auffassung nach, deutlich mehr drin sein können.
Denn Fakt ist doch: Wenn wir öffentliche Vergaben nicht an Tarifbedingungen, soziale und ökologische Kriterien knüpfen, schwächen wir unsere tarifgebundenen Betriebe zulasten der Beschäftigten, der Umwelt und des Klimas.
Genau dafür haben wir uns als SSW im Zuge der Beratungen eingesetzt.
Aus dem schwarz-grünen Politikhandbuch hätte ich mehr erwartet, schließlich haben andere schwarz-grün geführte Länder umfangreiche Regelungen für Mindestentgelt und Tariflöhne.
Und schlussendlich sollte doch ein solches Gesetz, die Basis für ein klimaneutrales Industrieland sein. Mit den hier vorgelegten Inhalten kann ich mir das beim besten Willen jedoch nicht vorstellen, wie das gelingen soll.
Alles in allem wurde hier schlichtweg zu wenig zukunftsweisendes vorgelegt, der vorliegende Entwurf ist ein Rückschritt. Deshalb werden wir den Gesetzentwurf ablehnen.