Rede · 07.03.2019 Die rein steuerfinanzierte Pflege wäre die sauberste Lösung

„Pflege wirklich fair und solidarisch zu organisieren, ist eine riesen Herausforderung“

Flemming Meyer zu TOP 24 - Pflegekosten dürfen nicht in die Armut führen - Eigenanteile deckeln (Drs. 19/1309 (neu))

(Nr. 71-2019) Sich überhaupt erstmal einzugestehen, dass der Partner oder Familienangehörige gepflegt werden muss, fällt vielen Menschen schwer. Die Entscheidung, hierfür fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist für viele sogar noch viel schwerer. Das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Aber die Tatsache, dass eine Pflegebedürftigkeit in unserer Gesellschaft oft auch noch zur Armutsfalle wird, ist nicht nur vor diesem Hintergrund beschämend. Deshalb ist die Zielsetzung der SPD, Armut durch Pflege zu vermeiden oder zumindest zu mindern, natürlich absolut richtig. 

Ganz ohne Frage ist die aktuelle Entwicklung, in der steigende Kosten in der stationären Pflege auf die Heimbewohner umgelegt werden, besorgniserregend. Denn damit stehen noch mehr Menschen vor der Frage, wie sie die Unterbringung im Pflegeheim überhaupt finanzieren sollen. In vielen Fällen übersteigen die Heimkosten längst die Rente und Leistungen der Pflegeversicherung. Eine Deckelung der Eigenanteile kann die Betroffenen und ihre Angehörigen kurzfristig entlasten und ist richtig. Den aktuellen Vorstoß in Richtung Bund, den Anteil für Unterkunft, Verpflegung und persönlichen Bedarf auf maximal 1000 Euro zu begrenzen, können wir daher nur unterstützen. Aber wenn wir ehrlich sind, dann wissen wir schon lange, dass Pflege viele Menschen arm macht. Ich habe deshalb weiterhin meine Zweifel, ob diese Maßnahme allein ausreicht. 

Pflege wirklich fair und solidarisch zu organisieren, ist eine riesen Herausforderung. Über 3 Millionen Menschen in Deutschland sind pflegebedürftig. Fast alle Betroffenen wollen möglichst lange im häuslichen Umfeld versorgt werden. Dreiviertel aller Pflegebedürftigen wird entsprechend Zuhause gepflegt. Hier ist die Unterstützung durch ambulante Dienste zwar wichtig, aber sie macht nur einen Bruchteil der Pflege aus. Wenn wir über dieses Thema reden, dann reden wir also zuallererst über die Angehörigen. Sie leisten hier einen enormen Kraftakt. Und sie sind damit eine wichtige - oder sogar die wichtigste - Säule der Pflegelandschaft. Dafür möchte ich mich ausdrücklich bedanken.

Es ist Fakt, dass Pflegebedürftige weit überwiegend durch die Familie versorgt werden. Dieser Einsatz entlastet den Staat um viele Milliarden. Trotzdem können wir seit Jahren sehen, dass das Geld für Pflegeleistungen knapp ist. Noch dazu verdienen Pflegefachkräfte eindeutig zu wenig. Doch Betroffene oder Angehörige müssen längst immer höhere Beträge zuzahlen. Vor diesem Hintergrund stellt sich doch die Frage, ob uns als Gesellschaft Pflege wirklich genug wert ist? Wenn ich sehe, dass das Geld der Menschen oft nicht für die stationäre Unterbringung reicht. Wenn ich sehe, wie schlecht bezahlt viele Pflegekräfte sind. Und wenn Angehörige durch die Pflege eines Familienmitglieds in Hartz vier rutschen und eine Minirente bekommen, dann kann ich diese Frage nur mit nein beantworten. 

Wenn wir ehrlich sind, dann muss die Finanzierung der Pflege grundlegend reformiert werden. Es kann nicht angehen, dass heute schon jeder sechste Heimbewohner auf Hilfe vom Sozialamt angewiesen ist. Noch dazu weiß jeder, dass der Bedarf an Pflege und die Kosten hierfür absehbar weiter steigen werden. Egal ob stationär oder familiär: Pflege muss endlich als gesamtgesellschaftliche Aufgabe anerkannt und auch finanziert werden. Aus Sicht des SSW ist die rein steuerfinanzierte Pflege die sauberste Lösung. So wäre sichergestellt, dass Menschen, die viel besitzen auch entsprechend viel zu einer funktionierenden Pflege beitragen. Und es wäre sichergestellt, dass Menschen, die wenig haben trotzdem menschenwürdig gepflegt werden, ohne dabei zu verarmen. 

Aber ich will auch nicht zu naiv daherkommen. Wahrscheinlich ist die Aufstockung der Pflegeversicherung durch Steuermittel zurzeit das höchste der Gefühle. Ich warne allerdings davor, nur in Notfällen und nach Kassenlage zu diesem Mittel zu greifen. Der Minister hat Recht, wenn er einen dynamisch steigenden und damit eben dauerhaften Steuerzuschuss fordert. Eine feste steuerfinanzierte Säule kann die Pflegeversicherung zumindest stabilisieren. Und er kann vor allem verhindern, dass Pflegekosten in die Armut führen. 

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