Rede · Christian Dirschauer · 29.01.2025 Der SSW ist wie immer skandinavisch-konstruktiv

„Der SSW hat folgende Anträge erfolgreich in den Landeshaushalt 2025 einbringen können: Fördergelder bzw. Zuschusserhöhungen für die FUEN, für die Friesenstiftung, für das deutsch-dänische Arbeitergeschichtsfestival, für die Jaruplund Højskole, für Givat Haviva sowie für die Förderung von Regional- und Minderheitensprachen in Kindertageseinrichtungen. Aber: Die kommenden Haushalte werden nicht einfacher. Und eine wirklich nachhaltige Haushaltskonsolidierung ließe sich eher durch umfangreichen Bürokratieabbau, durch pragmatische und zielgenaue Mittelverausgabung und durch unsere Vorschläge in Hinblick auf die Reformierung der Schuldenbremse und der Wiedereinführung der Vermögenssteuer erreichen. Wir müssen den gesellschaftlichen Zusammenhalt stets im Auge behalten."

Christian Dirschauer zu TOP 3+29+36+39+46 - Haushaltsberatungen 2025 – 2. Lesung - Generaldebatte(Drs. 20/2500; 20/2501; 20/2816; 20/2874)

Diese erste Plenartagung des neuen Jahres 2025 ist wahrlich besonders. Hier und heute beschließen wir den Landeshaushalt für Schleswig-Holstein für das laufende Jahr. Über die letzten Monate wurde intensiv beraten und um Änderungen am Entwurf gerungen.
Als SSW wollten wir uns wie immer skandinavisch-konstruktiv in diesen Prozess einbringen. Und das haben wir – insbesondere in Person von Lars Harms. Lars war bis Ende letzten Jahres unser SSW-Finanzpolitiker und zugleich Vorsitzender des Finanzausschusses. Über die vergangenen Monate hat Lars die Detailarbeit rund um unseren Umgang mit dem Haushaltsentwurf geleistet, hat Runde um Runde für den SSW auf dem Platz gestanden – und hat mir nun sehr große Fußstapfen hinterlassen, aber eben auch den Auftritt in diesem großen Finale des parlamentarischen Königsrechts geschenkt. Als SSW-Fraktion danken wir an dieser Stelle unserem Lars Harms für seine politische Arbeit über die vergangenen 25 Jahre und im Besonderen nun für die geleistete Vorarbeit zu diesen Haushaltsberatungen. Und natürlich geht auch ein Dankeschön an das top organisierte Finanzausschuss-Büroteam, an die Landtagsverwaltung und an die Ministerien für ihre jeweils disziplinierte und tolle Mitarbeit!

Der Beratungsprozess zu diesem finalen Haushaltsentwurf war geprägt von Diskussionen über den abermaligen Notkredit, über verschiedene Kürzungsvorschläge der Landesregierung – aber auch über die verschiedenen Änderungsanträge der Fraktionen. Und es freut mich sehr, dass wir als SSW erneut für uns wichtige Anträge erfolgreich in die Beschlussempfehlung miteinbringen konnten. Ich danke an dieser Stelle den regierungstragenden Fraktionen sowie den beteiligten Ministerien für ihre Zustimmung und Umsetzung unserer Anträge, die ich im Folgenden noch einmal kurz vorstellen möchte.

Da wären zunächst zwei Anträge zu nennen, bei denen die regierungstragenden Fraktionen im Beratungsprozess sogar noch zu Mitantragstellern wurden:
So erhalten künftig sowohl die FUEN als auch die Friesenstiftung mehr Fördergelder. 
FUEN steht für „Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten“ und bezeichnet den Dachverband der autochthonen nationalen Minderheiten, Nationalitäten und Sprachgemeinschaften Europas. Mehr als 100 Mitgliedsorganisationen aus 36 europäischen Ländern sind unter diesem Dach organisiert, darunter auch der Friesenrat Sektion Nord, der Friisk Foriining, der Sydslesvigsk Forening sowie der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma. Die Aufgabenwahrnehmung der FUEN hat sich im Umfang stetig erweitert, was ja wirklich schön ist, weil das zeigt, wie lebhaft und aktiv die Minderheiten sind. Und da das FUEN-Büro auch ein wichtiger Partner im Minderheitennetzwerk im deutsch-dänisch-friesischen Grenzland ist, soll diese Arbeit mit der Zuschusserhöhung auf künftig 50.000 Euro finanziell abgesichert werden. Gerade in diesen zunehmend angespannten Zeiten ist die kulturelle Arbeit von Minderheiten und deren Absicherung wichtiger denn je – und gerade von der Einladung zu kulturellen Veranstaltungen und Aktivitäten profitieren dann ja auch die jeweiligen Mehrheitsgesellschaften. Also haben alle etwas davon.
Dies gilt auch für die Ansatzerhöhung für die Friesenstiftung. Mit dieser wollen wir zum einen die sehr erfolgreiche Arbeit der Kinder- und Jugendkonsulentin absichern und fortführen, deren Stelle bislang nur projekthaftfinanziert wurde. Zum anderen stärken wir die Arbeit des friesischsprachigen Theaters „Et Nordfriisk Teooter e.V.“.

Darüber hinaus haben wir noch vier weitere Anträge erfolgreich einbringen können:
So freue ich mich sehr, dass die im letzten Jahr erstmalig durchgeführte Auftaktveranstaltung für ein deutsch-dänisches Arbeitergeschichtsfestival sehr erfolgreich war und daher nun eine weitere Runde drehen darf. In Dänemark haben Arbeitergeschichtsfestivals eine lange Tradition und im vergangenen November haben wir dieses Format zum ersten Mal über die Grenze nach Flensburg holen können – mit großem Erfolg. Nicht umsonst hat der dänische Staat für dieses Jahr erneut einen Förderanteil zugesagt. Mit 10.000 Euro Landesmitteln bekommen wir hier also ein wirklich tolles und informatives grenzüberschreitendes Projekt auf die Beine gestellt – und es sind natürlich wieder alle eingeladen, vorbeizuschauen und die Arbeitergeschichte nachzuverfolgen. Es lohnt sich!
Auch die Aufstockung des Haushaltstitels zur Förderung von Regional- und Minderheitensprachen in Kindertageseinrichtungen um 60.000 Euro lohnt sich – und wird die Nachfrage vermutlich noch immer nicht vollständig decken können. Welch ein Erfolgstitel! Aus diesen Mitteln werden Angebote zugunsten der Vermittlung von Plattdeutsch, Dänisch und Friesisch in Kindertagesstätten finanziert. Der bestehende Ansatz von 575.000 Euro wurde in den vergangenen Jahren stets übertroffen, was im Rahmen der Deckungsfähigkeit von Haushaltstiteln zwar möglich ist, aber nun so langsam ja keine Dauerlösung mehr sein kann. Aber natürlich freuen wir uns alle über den Erfolg und die Nachfrage dieser Maßnahme vor Ort und daher ist diese moderate Anpassung des Ansatzes nun auch absolut angezeigt.
Und auch für unsere weiteren beiden erfolgreichen Anträge hat sich das Verhandeln gelohnt, denn wir haben hiermit zwei Kürzungen, die die Landesregierung vorgenommen hatte, zurücknehmen können – und das war jeweils bitter nötig! Lars Harms hatte diese beiden Titel schon in der 1. Lesung ausführlicher vorgestellt, daher freut es mich nun sehr, dass wir damit Gehör gefunden haben.
Zum einen haben wir die Kürzung der Fördersumme für die Jaruplund Højskole „als Beitrag zur Haushaltskonsolidierung“ abwenden können. Sie mögen sich erinnern: Einzig die Förderung für Jaruplund, und somit für die Einrichtung der dänischen Minderheit, sollte in jenem Kapitel der Bildungsstätten gekürzt werden – die deutschen Einrichtungen waren hingegen nicht betroffen. Wir haben diese gravierende Ungleichbehandlung eindrücklich als ein ganz falsches Signal herausgearbeitet. Durch die Erhöhung des Ansatzes wird die bisherige Förderhöhe und somit auch die grundsätzliche Gleichbehandlung der Bildungsstätten nun also wieder hergestellt.
Zum anderen hatten wir als SSW mit Nachdruck für die Beibehaltung der Förderung für die israelisch-palästinensische Bildungs- und Begegnungsstätte Givat Haviva geworben. Lars Harms hatte damals eindrücklich dargestellt, warum uns diese – in seinen Worten – „außenpolitische Perle“ in der Tat etwas angeht und warum es wahrlich unklug wäre, diese 40.000 Euro an dieser Stelle im Landeshaushalt zu streichen. Wir stehen in einem guten Austausch mit Mitarbeitenden von Givat Haviva und ich muss wohl nicht näher ausführen, warum eine gemeinnützige Bildungs- und Dialoginstitution, die sich schon seit Jahrzehnten für die jüdisch-arabische Verständigung einsetzt, gerade jetzt finanzielle und moralische Unterstützung auch aus Norddeutschland gut gebrauchen kann.

Insgesamt haben wir also Anträge im Umfang von 200.000 Euro in den nun finalen Haushalt 2025 hineinverhandeln können. Gleichzeitig haben es zahlreiche unserer Haushaltsanträge und Kritikpunkte ja leider nicht in die finale Beschlussempfehlung geschafft. Ein paar davon möchte ich nun noch einmal bewerben.

Bei der 1. Lesung im vergangenen Oktober schloss Lars Harms seine Rede im Namen des SSW mit dem folgenden Anspruch und Ausblick: 
„Wir haben Jahre mehrerer, sich parallel ereignender Krisen hinter uns und müssen dennoch zusehen, dass wir einen rechtskonformen Haushalt aufgestellt bekommen, der – bei aller Einsparnotwendigkeit – nach wie vor die Daseinsvorsorge sicherstellt und auch die großen Zukunftsthemen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Auge behält.“ 
Diese Worte bleiben unverändert aktuell. Gerade der soziale Zusammenhalt ist auch mir persönlich sehr wichtig. Die Menschen machen schwere Zeiten durch. In einer solchen Lage muss Politik handeln – aber eben nicht mit einem allzu fetten Rotstift! Daher haben wir uns auch kritisch zu Konsolidierungsvorschlägen der Landesregierung geäußert und so ja teilweise auch erfolgreich wieder zurückdrehen können, beispielsweise die Finanzierung der „psychosozialen Prozessbegleitung“ – Opposition wirkt! Zudem konnten wir feststellen, dass die Landesregierung endlich mit den notwendigen Stellenaufwüchsen in den Bereichen Polizei und Justiz plant, was wir ja schon seit Jahren gefordert haben. Hier gibt’s also noch ein paar Pluspunkte zu verteilen, aber wir werden die kw-Vermerke-Entwicklung auch weiterhin sehr genau im Auge behalten.

Aber nun muss ich auch zu so einigen Minuspunkten kommen.
Da wäre recht prominent die Abwicklung des Versorgungssicherungsfonds zu nennen, der ja nun doch auch der „Haushaltskonsolidierung“ preisgegeben wird. Der SSW beantragt die Fortführung sämtlicher bisheriger Haushaltstitel in voller Höhe! Denn es macht eben etwas aus, ob man in Flensburg oder auf Helgoland krank wird und ärztliche Hilfe benötigt. Die Landesregierung hat uns keine zukunftsfähige Lösung präsentieren können, wie der Versorgungssicherungsfonds und somit die ambulante, stationäre und sektorenübergreifende Gesundheitsversorgung besonders in der Fläche und auf den Inseln in Schleswig-Holstein künftig ersetzt werden soll. Hier müssen wir uns auf so einige Probleme gefasst machen!
Stichwort ärztliche Versorgung und Krankenhauswesen: Die Diskussion rund um den IB.SH-Förderfonds hat ja auch durchaus interessante Fakten und Summen zu Tage gebracht, die bislang dem Landeshaushalt vorenthalten werden, aber ja ziemlich einfach vereinnahmt und sehr gern anteilig sowohl in die Krankenhausfinanzierung als auch in die Wohnraumförderung investiert werden könnten und sollten! Es wäre ja wirklich sinnvoll, dass wir diese Gelder dort verausgaben, wo sie wirklich gebraucht werden und sehr vielen Menschen direkt nutzen.
Eine solch pragmatische Nutzung wünschen wir uns im Übrigen ja auch schon seit Langem in Hinblick auf die sogenannten „Schlickgelder“. Sinnvollerweise würde es sich anbieten, diese Einnahmen in die Sanierung und den Ausbau unserer Häfen zu investieren. 
Und auch der Sanierungs- und Investitionsstau bei unseren Sportstätten zeichnet ein wirklich trauriges Bild unseres so prominent beworbenen „Sportlandes“. Zu diesem Komplex haben wir auch ein paar Anträge auf Erhöhung der Mittel vorgelegt. Denn dies ist ja auch nur einer der Bereiche, in denen die Zusammenarbeit mit den Kommunen gut organisiert werden muss und wo wir die Kommunen nicht allein lassen dürfen. Unsere Kommunen stehen vor enormen Herausforderungen und neben Beratungen zu künftigen Finanzierungskonzepten bleiben ja auch die großen Schlagworte wie „Bürokratieabbau“ und „fortschreitende Digitalisierung“ weiterhin Daueraufgaben und noch immer hart zu erarbeitende Fernziele. Wir kommen voran, aber es bleibt auch noch viel zu tun. Der Blick nach Dänemark lohnt sich dabei nach wie vor immer – und somit auch der Blick auf die Vorschläge und Anträge des SSW! 
Sie kennen unsere Vorschläge und Haltungen zur Reformierung der Schuldenbremse und Wiedereinführung der Vermögenssteuer für Superreiche. Lars Harms hatte in der 1. Lesung ausführlich vorgerechnet: Der Schuldenbremse-reformieren-Antrag des SSW würde ca. 180 Millionen Euro einbringen und die Einführung einer Superreichen-Vermögenssteuer nach Königsteiner Schlüssel womöglich bis zu rund 575 Millionen Euro – macht zusammen ca. 755 Millionen Euro jährlich, die Schleswig-Holstein nutzen könnte. Damit könnte der Versorgungssicherungsfonds fortgeführt werden, wir könnten weitere Gelder ins Bildungssystem geben und die Lasten würden auf breitere Schultern verteilt. Es gäbe also sozial ausgewogenere Gegenfinanzierungsmöglichkeiten – stattdessen wird Schwarz-Grün ja ausgerechnet den Haushaltstitel für das Landesblindengeld zur Gegenfinanzierung für eigene Wunschprojekte heranziehen. Dies bleibt nach wie vor eine Unverschämtheit! Daher werden wir diesen Tabellenausschnitt aus der Beschlussempfehlung gemeinsam als Oppositionsfraktionen zur namentlichen Abstimmung stellen.

Noch einmal: Mit unseren SSW-Vorschlägen könnten wir den riesigen, akuten Haushaltsdruck zumindest stark abfedern. Und machen wir uns – und Sie sich – doch nichts vor: Egal, welche Partei nach der Bundestagswahl den Bundeskanzler stellen wird – eine wie auch immer geartete Reformierung der Schuldenbremse wird kommen! Daran wird kein Weg vorbeiführen und wir alle wissen das. 
Zudem wird es ja auch mit jedem neuen Jahr schwieriger, verfassungskonforme Notkredite zu begründen und zu nutzen. Wir alle haben hier im Hause stets lebhaft und detailliert über die verschiedenen Notlagenbeschlüsse und über die Notkredite debattiert. Als SSW haben wir diese bislang mitgetragen. Dies ist jedoch kein Automatismus. Notkredite können und dürfen keine Dauerlösung werden. Und natürlich behalten wir die Verausgabung und das weitere Haushaltsmanagement streng im Auge. Die Landesregierung muss natürlich so bald wie möglich wieder ohne Notkredite auskommen – ohne dafür jedoch auf radikale Kahlschläge in den Bereichen Soziales oder Bildung zu setzen. Dies wird eine sehr schwierige Aufgabe, keine Frage. Aber in diesen herausfordernden Zeiten, in denen die Menschen um ihre Jobs und um die Bezahlbarkeit ganz alltäglicher Dinge fürchten, in denen die Wirtschaft vor massiven Problemen und immer mehr Unternehmen vor der Insolvenz stehen und in denen unser sozialer Zusammenhalt und unsere Gesellschaft zunehmend unter Druck zu geraten drohen, in derartigen Zeiten müssen wir sehr genau abwägen, ob wir uns Kürzungen in diesen Bereichen wirklich leisten können. Ich für meinen Teil und die SSW-Fraktion kann nur sagen: Wir schätzen die Folgekosten, die durch Kürzungen im Sozial- und im Bildungsbereich entstehen werden, deutlich gravierender ein und können daher nur davon abraten. Ein einfaches „Weiter-so“ kann es natürlich auch nicht geben, aber eine wirklich nachhaltige Haushaltskonsolidierung ließe sich – wie beschrieben – eher durch umfangreichen Bürokratieabbau, durch pragmatische und zielgenaue Mittelverausgabung und durch unsere Gegenfinanzierungsvorschläge erreichen. Die kommenden Haushalte werden wahrlich nicht einfacher werden. Wir werden die künftigen Entwürfe streng auf ihre sozialen, gesellschaftlichen und finanzrechtlichen Auswirkungen prüfen, aber unserer skandinavischen Tradition gemäß auch weiterhin stets den konstruktiven Austausch suchen und gute Beratungsgespräche anbieten.

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