Rede · Lars Harms · 24.03.2022 Jamaika liefert kein zukunftsfähiges und gerechtes Besoldungssystem

„Dem Gesetz zur Übernahme des Tarifergebnisses können wir zustimmen. Dem anderen Gesetz zur amtsangemessenen Alimentation können wir aufgrund der potenziellen Verfassungswidrigkeit jedoch nicht zustimmen. Die nächste Landesregierung wird hier schnell nachbessern müssen.“

 

Presseinformation


Kiel, den 24.03.2022
Es gilt das gesprochene Wort


Lars Harms - TOP 7+8 - Gesetz zur Gewährleistung eines ausreichenden Abstandes der Alimentation zur sozialen Grundsicherung und zur amtsangemessenen Alimentation von Beamtinnen und Beamten mit mehr als zwei Kindern; Gesetz zur Besoldungs- und Versorgungsanpassung in Schleswig-Holstein im Jahr 2022 (Drs. 19/3428; 19/3689; 19/3618; 19/3690)

Die Besoldung für unsere Landesbeamtinnen und Landesbeamten ist zu gering bemessen. Dies ist ja keine neue Erkenntnis. Im Vergleich zum Bund und zu den meisten anderen Ländern bietet Schleswig-Holstein seinen Landesbeamten nicht nur weniger Geld und weniger attraktive Gesamtbedingungen, sondern verstößt seit Jahren auch in mehreren Besoldungsgruppen gegen das verfassungsrechtliche Gebot der amtsangemessenen Alimentation, wie ja sowohl das Oberverwaltungsgericht Schleswig als auch das Bundesverfassungsgericht entschieden haben.

Entsprechend musste – eigentlich schon seit Jahren – gehandelt und die Besoldung und Alimentation angepasst werden. Mit den vorliegenden Drucksachen hat die Jamaika-Koalition nun also kurz vor der Landtagswahl einen Anpassungsversuch vorgelegt, der so gerade eben das gerichtlich geforderte und tariflich vereinbarte Mindestmaß an Veränderung berücksichtigt.

Das Gesetz zur Besoldungs- und Versorgungsanpassung beinhaltet ja die Übernahme der mit den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes ausgehandelten Tarifeinigung. Es muss außer Frage stehen, dass der Tarifabschluss auch für die Beamtinnen und Beamten übernommen wird, von daher können wir diesem Gesetz zustimmen.

Anders sieht es dagegen mit dem zweiten hier vorliegenden Gesetzentwurf zum Alimentationsprinzip aus. Ich habe die SSW-Haltung hierzu bereits mündlich im letzten Finanzausschuss ausgeführt und werde auch hier nochmals gern erläutern, weshalb wir uns bei diesem Gesetz enthalten werden:
Grundsätzlich spricht sich der SSW ganz klar dafür aus, dass die Beschäftigten im Landesdienst nicht nur angemessen, sondern attraktiv vergütet werden sollen. Leistungsbereitschaft, Verantwortungsübernahme und die Anpassung an das Prinzip des „lebenslangen Lernens“ müssen belohnt werden, denn nur so gewinnen und sichern wir uns langfristig die besonders begehrten Fachkräfte und Leistungsträger, die es in einem modernen und serviceorientierten öffentlichen Dienst braucht. 

Vergütungsbestandteile, die diese Prinzipien konterkarieren, können weder gerecht noch juristisch haltbar sein. Leider finden sich solche jedoch in dem vorliegenden Gesetzentwurf. So sollen beispielsweise der Familienstand und das Einkommen des Lebenspartners eines Beamten eine Rolle spielen, wodurch das Leistungsprinzip ad absurdum geführt wird. Auch der Grundsatz der abgestuften Besoldung soll umgangen werden; stattdessen sollen kinderbezogene Leistungen ausgeweitet werden. Ein zukunftsfähiges und gerechtes Besoldungssystem wird hier nicht geschaffen.

Das für mich gravierendste Gegenargument ist jedoch, dass der Entwurf so, wie er hier vorliegt, krachend durch die schriftliche Anhörung im Finanzausschuss gefallen ist, wobei gleich mehrere Anzuhörende – Beamtenvertretungen wie auch juristische Fachleute – die Verfassungskonformität anzweifeln und prognostizieren, dass das Gesetz, sollte es in dieser Form verabschiedet werden, schon sehr bald vor Gericht landen und dort wieder einkassiert werden wird. Diese Diskussion hatten wir auch schon im Finanzausschuss – und dennoch hat sich die Finanzministerin auch auf explizite Nachfrage dafür ausgesprochen, das Gesetz trotz dieser verfassungsrechtlichen Mängel und Bedenken in dieser Plenartagung in zweiter Lesung vorzulegen und letztlich schnell noch einmal vor der Wahl durchzuwinken. Der SSW kann diesem Gesetz aufgrund dieser potenziellen Verfassungswidrigkeit jedoch nicht zustimmen. 

Natürlich ist uns klar und auch mehrere Stellungnahmen haben dies angemerkt: Es handelt sich hier um ein komplex gewachsenes Besoldungssystem, das nicht mal eben mit vielen kleinen Einzelmaßnahmen korrigiert werden kann, sondern für das es eigentlich eine großangelegte, schlüssige, ämtergerechte Besoldungsreform bräuchte. Dies wäre in der Tat ein gewaltiger politischer Gestaltungsakt. Aber zumindest die eindringliche Empfehlung, man möge sich doch auf Bundesebene oder zumindest mit den anderen norddeutschen Ländern abstimmen und nicht im Alleingang vorpreschen, hätte die Landesregierung ernst nehmen sollen. Im Konkurrenzkampf um die besten Köpfe wird dieses Gesetz Schleswig-Holstein daher wohl insgesamt leider nur zum Nachteil gereichen. Die nächste Landesregierung wird hier schnell nachbessern müssen.

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