Rede · Lars Harms · 17.10.2024 Nichts kann über klaffende Finanzierungslücken wegtäuschen

„Damit wir auch in Zukunft ausreichend investieren können, müssen wir mehr Einnahmen generieren. Also über die Schuldenbremse sprechen. Sonst stehen wir in ein paar Jahren vor einem leeren Sondervermögen. Während die Infrastruktur ganz unbeeindruckt weiter altert.“

Lars Harms zu TOP 45 - Infrastrukturbericht (Drs. 20/2380)

Lassen Sie mich den vorliegenden Infrastrukturbericht kurz zusammenfassen: wir besitzen viel, das meiste ist marode und der Rest ist demnächst marode und das Geld reicht hinten und vorne nicht. Nein, Spaß beiseite, ganz so schlimm ist es nicht. Der Bericht zeigt auf, dass in den letzten Jahren massiv investiert wurde, um unsere landeseigene Infrastruktur wieder auf Vordermann zu bringen. Aber, er zeigt eben auch, dass alles, was wir an einem Ende abtragen von dem Berg, am anderen Ende wieder obendrauf kommt. Sei es durch geänderte gesetzliche Ansprüche wie etwa in den Justizvollzugsanstalten oder im Maßregelvollzug, sei es durch selbstauferlegte Ziele wie die Klimaneutralität des Landes, die uns zu enormen Investitionen in die oft alten und zugigen Gebäude zwingt oder sei es durch den Klimawandel, der uns vor Augen führt, dass unsere Deiche und Sperrwerke dringend ertüchtigt werden müssen. 
Dafür haben wir ein Sondervermögen und das ist auch gut so. Nicht gut ist, dass die Mittel in diesem Sondervermögen bei seit Jahren steigenden Baukosten immer kürzer reichen und dass unsere aktuelle Haushaltslage es uns nicht mehr möglich macht, weiter in dieses Sondervermögen einzuzahlen. Das reißt für dieses und nächstes Jahr eine große Lücke und tatsächlich teile ich auch den Optimismus des Finanzministeriums nicht, dass wir ab 2026 wieder so viel Spielraum im Haushalt haben, dass wir dem Sondervermögen jährlich 350 Mio. Euro zuführen können. Das können wir nur erreichen, wenn wir die Einnahmen substanziell erhöhen. 
Der SSW hat im Februar dieses Jahres einen Antrag zur Reform der Schuldenbremse vorgelegt, der immerhin etwa 170 Mio. Euro freigeben würde. Das würde unseren Handlungsspielraum im Bereich der Investitionen schon deutlich erhöhen. Wenn wir die Einnahmenseite nicht verbessern, um auch künftig genug Mittel für Investitionen zu haben, müssen wir uns fragen, ob wir für Teile unserer Infrastruktur eigene Gesellschaften oder Anstalten öffentlichen Rechts gründen, um diese auch künftig finanzieren zu können. Dann allerdings ist der politische Einfluss nur noch sehr begrenzt. Und das ist im Grunde auch nicht das, was wir wollen. 
Eines macht der Bericht nochmal sehr deutlich: wir haben die Instandhaltung unserer Infrastruktur viel zu lange verschlafen. Egal, wer regiert hat, alle sind da immer nur auf Sicht gefahren. Ist kaputt, wird repariert, ist noch nicht kaputt, muss noch halten. Das fällt uns jetzt auf die Füße. Und dazu kommen eben noch die Standards, die wir selbst, etwa im Bereich der energetischen Sanierungen, erhöht haben und die nun höhere Kosten verursachen. Von den Ostseedeichen, von denen wir als Land lange Zeit nichts wissen wollten, ganz zu schweigen. Klammen Wasser- und Bodenverbänden können wir die in Zukunft nicht mehr überlassen, wenn wir für größere Sturmfluten gerüstet sein wollen.

Das können wir auch nicht auf die lange Bank schieben, da müssen wir als Land jetzt Verantwortung übernehmen und investieren. 
Das Bild, das der Bericht zeichnet, ist ja ein sehr optimistisches: wir investieren, wir erhöhen sogar jährlich die Investitionssumme und wir haben so viel Geld, dass wir uns schon anstrengen müssen, um das alles zu verbauen. Und doch haben wir da bis 2040 eine Finanzierungslücke von 2,5 Milliarden Euro. Stand heute. Da sind alle diejenigen Maßnahmen, die erst in den kommenden 15 Jahren in den Bericht aufgenommen werden müssen, weil Standards sich ändern oder weil die Substanz doch bröselt, noch nicht drin. 
Die tatsächliche Finanzierungslücke wird also deutlich größer ausfallen. 
Nochmal: damit wir auch in Zukunft ausreichend investieren können, müssen wir mehr Einnahmen generieren. Also über die Schuldenbremse sprechen. Sonst stehen wir in ein paar Jahren vor einem leeren Sondervermögen. Während die Infrastruktur ganz unbeeindruckt weiter altert. 

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