Pressemitteilung · 15.12.2022 Rede zum Haushalt 2023 - Marcel Schmidt, Fraktionsvorsitzender der SSW-Ratsfraktion Kiel
Herr Präsident, liebe demokratische Ratsleute,
wir gehen nun in den dritten Haushalt unter schwierigen Bedingungen und da ist es nicht die Zeit, um politische Gräben auszuheben oder Grundsatzdiskussionen zu führen. Im Gegenteil: Es ist nun an der Zeit, nach Gemeinsamkeiten zu suchen und mit vereinten Kräften Wege aus der Krise zu finden. Insbesondere, wenn sich die Rahmenbedingungen so schwierig gestalten, wie es jetzt der Fall ist. Bund und Land drücken sich in trauriger Eintracht davor, die an die Kommunen übertragenen Aufgaben auch mit den erforderlichen Finanzmitteln auszustatten. Dadurch hatte Kiel in den letzten Jahren einen erheblichen Aufgabenzuwachs zu verzeichnen, ohne dabei auskömmlich finanziert zu sein. Das können wir als Kommune nicht alles auffangen und wir können es auch nicht in dieser Beratung zum Haushalt lösen. Wir können aber zusammenstehen.
Bei diesen Haushaltsberatungen stellen wir mehrere Anträge zusammen mit der Kooperation, die sich in einigen Punkten inhaltlich auf uns zubewegt hat. In der aktuellen Phase von aufeinander folgenden Krisenlagen stellen wir fest, dass nur mit einem geschlossenen Vorgehen wirkliche Fortschritte gemacht werden können. Das haben wir zuletzt bei der Beschlussfassung für die Kieler Straßenbahn erlebt, aber auch bei anderen Themen wie dem Parkraumkonzept, wo die Kooperation zuletzt auch die kleineren Fraktionen zum Vorteil des gefassten Beschlusses mit eingebunden hat. Die SSW-Ratsfraktion wird dem Haushaltsentwurf der Landeshauptstadt Kiel für das Jahr 2023 zustimmen. Es ist Zeit, dass wir gemeinsam Lösungen für die Herausforderungen in dieser Stadt suchen, finden und umsetzen. Wir verbinden unsere Zustimmung aber auch mit der Erwartung, dass die Kooperation auch nach einer gemeinsamen Umsetzung der gemeinsam beschlossenen Anträge suchen wird.
Wir stehen am Anfang eines harten Winters, der viele Menschen in unserer Stadt vor existenzielle Probleme stellen wird. Wenn wir diesen Haushalt diskutieren, müssen wir uns dieser Probleme bewusst sein und Maßnahmen treffen, um soziale Härten aufzufangen und zumindest abzumildern, denn leider agieren Bund und Land unzureichend oder zu spät. Wir dürfen daher nicht nur auf Zuständigkeiten verweisen, sondern müssen den Menschen, die in Not sind, sofort helfen. Ob und wie wir uns die Finanzmittel von Bund und Land zurückholen, muss dann eben manchmal auch nachgelagert diskutiert werden. Weiterhin birgt das kommende Jahr auch nach dem Winter erhebliche soziale Risiken, denn Wohnungsnot und Inflation sind nach dem Winter ja nicht plötzlich vorbei, sondern werden das gesamte nächste Jahr belasten. Darauf mussten wir bei der Entwicklung unserer Haushaltsanträge reagieren.
Die SSW-Ratsfraktion bewegt mit ihren Anträgen für den Haushalt 2023 die Themen, bei denen die Landeshauptstadt Kiel Möglichkeiten hat, das Leben der Kieler*innen zu verbessern. Im Bereich Soziales wollen wir mit 100.000,-€ die Sozialarbeit auf der Straße stärken, denn es ist zu befürchten, dass durch diesen Winter im Zusammenwirken mit der Inflation viele Menschen, auch in Kiel, mit dem Verlust ihrer Wohnung bedroht sind. Gleichzeitig wollen wir 3 Millionen € bereitstellen, um einen Aufwuchs des Wohnungsbestandes der Kieler Wohnungsgesellschaft (KiWoG) zu ermöglichen. Weiterhin machen wir uns dafür stark, dass sowohl die Präventionsarbeit der Aidshilfe an Kieler Schulen mit 1000,-€, als auch die Drogenhilfe rund um den Schützenpark mit 4.000,-€ gestärkt werden. Obendrein fordern wir die Einrichtung eines Drogenkonsumraums.
Im Bereich Gleichstellung wollen wir die Förderung diverser Frauenfacheinrichtungen mit 173.800,-€ sowie des Autonomen Mädchenhauses vom Verein Lotta e.V. mit 41.000,-€ und des Gewaltpräventionsprojektes Petze mit 5.000,-€ erhöhen. Gerade in den letzten Jahren hat sich der Förderbedarf aufgrund der teilweise massiv gestiegenen Fallzahlen erhöht; hier kann und muss die Landeshauptstadt Abhilfe schaffen.
Im Bereich Klima und Umwelt wollen wir mit der Erhöhung der Förderungen für den Ausbau der Solarflächen auf Kieler Dächern um 100.000,-€ und das Programm zum Austausch von Kühlgeräten mit 15.000,-€ einerseits die dezentrale Energieproduktion in Kiel ankurbeln und gleichzeitig auch Hilfe beim Energiesparen geben. Abgerundet wird der Bereich durch einen Haushaltsantrag für Mittel in Höhe von 50.000,-€ zur Erstellung von Musterkonzepten, die es Hausbesitzer*innen erleichtern, in gleichförmigen, engen Bebauungen wie z.B. Reihenhaussiedlungen Wärmepumpenanlagen zu installieren.
Die Verkehrswende befördern wir mit unserer Mitantragstellung eines Antrags der Kooperation zur Parkraumüberwachung, damit das neue Parkraumkonzept auch seine Wirkung für die Aufwertung des Verkehrs in Kiel entfalten kann.
Es sind die letzten Haushaltsberatungen dieser Wahlperiode, da liegt es nahe, ein Fazit zu ziehen. Die damalige Ampel hat die ersten 2 Jahre, in denen wir gute Daten hatten und Haushalte beschlossen, die ausgeglichen waren, mit internen Reibereien vertrödelt. In dieser Zeit war die Gelegenheit vorhanden, politisch zu gestalten und die Stadt voranzubringen. Diese Phase wurde nur unzureichend genutzt; das sehen wir insbesondere beim nicht im ausreichenden Maße erfolgten Bau von bezahlbarem Wohnraum, der jetzt durch hohe Baukosten und leere öffentliche Kassen ausgebremst wird. Für die SSW-Ratsfraktion Kiel waren das keine leichten Bedingungen, trotzdem haben wir es geschafft, bei der gerechten Bezahlung der Mitarbeiter*innen der Service GmbH des Städtischen Krankenhauses im Verbund mit anderen Fraktionen einen Durchbruch zu erzielen oder einen einstimmigen Beschluss zu einer Städtepartnerschaft mit einer Stadt in der Ukraine herbeizuführen.
Erst im letzten Jahr ist es gelungen, andere Fraktionen substanziell mitzunehmen und gemeinsam Fortschritte für Kiel zu initiieren. Dabei wurden auch die kleinen Fraktionen eingebunden und deren Beteiligung hat vielfach dazu geführt, dass die Ergebnisse besser wurden. Die Kieler Kommunalpolitik hat durch ihre gemeinsamen Erfolge eindrucksvoll bewiesen, dass eine Erhöhung der Mindestgröße von Fraktionen in Kiel keine Grundlage hat. Die Krise schweißt ganz offensichtlich zusammen. Es ist zu hoffen, dass der gemeinsame Geist auch nach der Wahl fortbesteht und bei der Mehrheitsbildung auf riskante Experimente verzichtet wird.