Rede · Lars Harms · 10.05.2023 Das Wohnen im Norden muss für alle bezahlbar bleiben
„In vielen Fällen können die Menschen nicht einfach wo anders hinziehen und selbst, wenn der Umzug doch gelingt, dann drohen kommenden Mietparteien weiterhin unterirdische Wohnverhältnisse. Das darf es doch bei uns in Schleswig-Holstein einfach nicht geben!“
Lars Harms zu TOP 8+11+24+28 - Schleswig-Holsteinisches Wohnraumschutzgesetz sowie „Junges Wohnen“ in Schleswig-Holstein umsetzen,
Herausforderungen für den Wohnungsbau gemeinsam meistern und EU-Gebäuderichtlinie sozial gerecht ausgestalten (Drs.20/899, 20/681, 20/747, 20/909, 20/944)
Der Wohnungsmarkt ist hart umkämpft und die Inflation macht sich auch in diesem Lebensbereich deutlich bemerkbar. Leider nicht zum Positivem. Die Krux ist: Abgesehen von den Nebenkosten gibt es beim Wohnen quasi kein Einsparpotential. Der Handlungsspielraum von den jeweils Einzelnen ist sehr begrenzt. Viele verschieben ihre derzeitigen Umzugspläne und versuchen in anderen Bereichen zu sparen. Der Handlungsspielraum in der aktuellen Situation wird also nochmal geringer. Ähnliches gilt, wenn es Missstände gibt. Natürlich kann man auf Missstände hinweisen und sie kommunizieren, E-Mails schreiben und telefonieren. Aber wenn dann immer noch nichts passiert? Was passiert dann? Leider ist dies immer noch gelebte Realität bei uns in Schleswig-Holstein. Und ich spreche in diesem Fall von tatsächlich gesundheitsgefährdenden Zuständen, wie etwa bei einem großen Wohnkomplex in Hennstedt-Ulzburg oder auch in meiner Heimatstadt Husum, durch Überbelegung von Dienstwohnungen, eines großen Unternehmens in der Region. In vielen Fällen können die Menschen nicht einfach wo anders hinziehen und selbst, wenn der Umzug doch gelingt, dann drohen kommenden Mietparteien weiterhin unterirdische Wohnverhältnisse. Das darf es doch bei uns in Schleswig-Holstein einfach nicht geben!
Wir als SSW begrüßen daher den Gesetzentwurf der Koalition, der genau in solchen Fällen, den Kommunen mehr Handlungsspielraum ermöglicht. Dieses Ziel haben wir auch in der letzten Wahlperiode formuliert und ebenfalls ein Gesetz dazu eingebracht, das damals leider noch keine Mehrheit fand. Im Kern beinhalten beide Entwürfe das Ziel, den Kommunen mehr Befugnisse zu erteilen, um menschenunwürdige Wohnverhältnisse zu unterbinden. Und zwar mit klaren Regeln und Zuständigkeiten. Das ist es, was hier bei uns in Schleswig-Holstein ganz dringend gebraucht wird. Und zwar lieber heute, als morgen.
Wohnraum ist kostbar. Das macht der vorliegende Gesetzentwurf nochmal deutlich. Wer Wohnraum verkommen lässt, kann abgemahnt und geahndet werden. Dazu sind genaue Vorgaben formuliert. Gleiches gilt für die Mindestanforderungen an den Wohnraum. Im Unterschied zum Gesetz der Koalition, wurde bei unserem damaligen Entwurf, allen Menschen die gleiche Anzahl an Quadratmetern zugestanden. Schwarz-Grün räumt Kindern unter sechs Jahren weniger Platz ein. Das müssen wir im Ausschuss noch einmal diskutieren. Gleiches gilt für die Ausnahmen für Ferienwohnungen und eben für den Grundsatz, dass Wohnviertel von der negativen Ausstrahlung von Problemimmobilien zu schützen sind. Eine interessante Formulierung, dessen Inhalt ich teile, jedoch kann ich mir vorstellen, dass die Definition von „negativer Ausstrahlung für ein Quartier“ schwierig ist. Aber das wird sich vielleicht auch nochmal im Ausschuss erörtern lassen. Entscheidend für uns als SSW-Fraktion ist es jedenfalls, dass auch beim Wohnen Spielregeln gelten. Das macht der vorliegende Gesetzentwurf nochmals deutlich.
Nun möchte ich noch auf das Thema „junges Wohnen“ eingehen. Es ist kein Geheimnis, dass viele junge Menschen verzweifelt nach einer Möglichkeit, nahe an ihrem Lernort zu wohnen, suchen. Wer einen Platz im Wohnheim ergattert, kann sich glücklich schätzen. Nicht nur, weil dieser oft die günstigste Wohnmöglichkeit überhaupt darstellt, sondern auch, weil es nur eine begrenzte Zahl an Wohnheimplätzen gibt. Die zuletzt gestiegenen Lebenshaltungskosten sowie die Rückkehr zum Präsenzunterricht lassen den Druck aktuell auf die Wohnheime steigen. Vor diesem Hintergrund ist es völlig richtig, dass die Landesregierung aufgefordert wird, dafür Sorge zu tragen, dass das Bundesprogramm zur Schaffung von Wohnheimen vollständig umgesetzt wird und hier kein Euro verloren geht. Denn das Bundesprogramm ist tatsächlich ein Programm und kein Programmchen. Die Bundesregierung hat angekündigt bis 2026 insgesamt 14,5 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Die Länder müssen jedoch ebenfalls einen Beitrag leisten. Die Kofinanzierung aus Kiel ist entscheidend, damit an dieser Stelle kein Geld liegen bleibt und damit das Programm überhaupt umgesetzt werden kann.
Die finanzielle Ausstattung ist zunächst eine gute Basis, um tatsächlich auch ins Handeln zu kommen. Jedoch muss ich aus Sicht des SSWs noch einige Dinge über die genaue Ausgestaltung anmerken. Wenn man sich unsere Große Anfrage zum studentischen Wohnraum aus der vergangenen Legislaturperiode einmal ansieht, so kann man schnell sehen, wo die Landesregierung Bauvorhaben von Wohnheimen plant. Vom nördlichen Landesteil ist nur Flensburg dabei und an der Westküste ist kein einziges Bauvorhaben geplant. Jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt. Aber das macht schon nachdenklich. Schließlich stehen wir als Flächenland in diesem Zusammenhang vor besonderen Herausforderungen. Inseln, Halligen, Halbinseln und zahlreiche andere geografische Eigenheiten machen die Wege in unserem Land besonders lang. Dies gilt ins besonders in ländlichen Regionen, welche in Schleswig-Holstein eben prägend ist. Zudem ist es wichtig, die Berufsschulstandorte nicht zu vergessen. Auch dort brauchen junge Menschen Wohnraum. Hier gilt es also für Gleichgewicht zu sorgen. Auch wenn die Bedarfe quantitativ an der Ostküste größer sind, so gilt es doch für das ganze Land eine Besserstellung zu erreichen. Ich bin davon überzeugt, dass diese Ausgewogenheit unbedingt dazu gehören muss, wenn es darum geht, das Bundesprogramm zielführend umzusetzen.
Neben einer stabilen finanziellen Ausgangslage, braucht es zudem erfahrende Bauplanungsbüros, die ein solches Vorhaben auch tatsächlich umsetzen können. Auch hier gilt es zu bedenken, dass die entsprechenden Stellen auch besetzt werden müssen. Dies muss natürlich mitgedacht werden. Zudem bildet der Erwerb von Grundstücken oder Immobilien durch die öffentliche Hand die nächste handfeste Herausforderung. Die Konkurrenz ist groß, das Angebot ist meistens klein. Vor allem sind Unternehmen oder Privatpersonen schlichtweg deutlich schneller im Entscheidungsprozess unterwegs als Städte und Kommunen. Ich glaube dieser Tatbestand wird sich in den kommenden Jahren noch verschärfen. Es gilt daher nun schnellstmöglich die Schwerpunkte für Schleswig-Holstein zu definieren. Die Landesregierung muss hier also einen Sprint hinlegen.
Ebenfalls einen Sprint hinlegen müssen die Kommunen bei uns im Land. Ja, es ist richtig, hier als Land mehr Unterstützung zu bieten, so wie es im Antrag der SPD geschrieben, aber auch im Wohnraumschutzgesetz verankert ist. Jedoch werden die Kommunen am Ende nicht darum herumkommen, sich stärker am Wohnungsmarkt zu beteiligen. Es braucht mehr Mut, das Heft wieder in die Hand zu nehmen. Ich denke, dass hat die Entwicklung der letzten Jahre nochmal deutlich gemacht.
Zum Schluss noch einige Worte zum Thema EU-Gebäuderichtlinie. Ein tatsächlich sehr wichtiges Thema, dass die SPD hier auf die Tagesordnung gebracht hat. Vielen Dank schon mal an die Sozialdemokraten. Es ist unserer Meinung nach genau der richtige Ansatz, Klimaschutzmaßnahmen und die Frage der Akzeptanz sowie die der verträglichen Umsetzung gemeinsam zu denken. Zudem müssen natürlich die jeweiligen Ebenen von Land, Bund und EU-Ebene, ihr Vorgehen aufeinander abstimmen.
Alles in allem wird deutlich, dass viele Menschen es auf dem Wohnungsmarkt schwer haben. Sie brauchen dringend Hilfe, damit das Leben bei uns im Norden bezahlbar bleibt. Wir sollten nicht länger nur zusehen. Land und Kommunen müssen zurück aufs Spielfeld.