Rede · Jette Waldinger-Thiering · 13.07.2023 Chancengleichheit beim Übergang zur Grundschule schaffen
„Wir müssen weg von dem aktuellen Flickenteppich der vielfältigen Testverfahren und Begutachtungen und ein einheitliches Konzept erstellen, um den Kindern - bei Bedarf mit zielgerichteten Maßnahmen-einen guten Schulstart zu ermöglichen.“
Jette Waldinger-Thiering zu TOP 12+13+23+46 - Übergang Kita-Grundschule: Vorstellungsverfahren für Viereinhalbjährige.
Übergang Kita-Grundschule: Blinde Flecken vermeiden
Verpflichtende Sprachtests und Offensive zur Stärkung der Grundschule
Bericht zum Übergang von der Kindertageseinrichtung zur Grundschule
Drs. 20/1143, Drs. 20/1144, Drs. 20/1161, Drs. 20/931
Als erstes möchte ich mich bei der Landesregierung für den ausführlichen Bericht zum „Übergang von der Kindertageseinrichtung zur Grundschule“ bedanken.
Der Bericht zeigt, dass der hohe Stellenwert des Übergangs von der Kita zur Schule erkannt wurde. Hier bietet sich eine Chance die Chancengleichheit im Bildungsverlauf unserer Kinder zu gestalten.
Wenn man den Bericht liest, dann freut man sich für jedes Kind, dass den Übergang zur Schule nach den beschriebenen Angeboten, Kriterien und Leitfäden und sonstigen Anregungen der Landesregierung erlebt hat. In der flexiblen Eingangsphase der Grundschule wird dann noch einmal „fein-justiert“ und somit haben dann alle Schüler und Schülerinnen einen individuell angepassten und optimal geförderten Start in ihren Bildungsverlauf.
Leider passt das Bild, das uns der Bericht vermittelt nicht zu dem Bild, dass uns durch die Aussagen der IQB-Studie, der Schulen und Elternvertreter geschildert wird.
Aber der eigentliche Grund dieser Debatte ist der Fakt, dass zu viele Kinder unzureichend in ihrer sprachlichen und kognitiven Entwicklung untersucht und gefördert zur Einschulung erscheinen.
Die extreme Heterogenität kann dann nicht mehr mit der flexiblen Eingangsphase ausgeglichen werden, sondern erfordert eine hohe individualisierte Beschulung, die momentan von vielen Schulen einfach nicht zu leisten ist.
Jetzt gibt es die Idee eines Screenings der Viereinhalbjährigen 18 Monate vor der Einschulung, so wie sie in Hamburg üblich ist. Die Hamburger haben hier ein gutes allgemein gültiges Konzept entwickelt, dessen Erfolg bereits messbar ist.
In Schleswig-Holstein ist es bisher so, dass man mit etwa drei Jahren eine verpflichtende Einladung zur allgemeinen Entwicklungsuntersuchung U7a beim Kinderarzt erhält. Hier werden die sprachliche, motorische und kognitive Entwicklung überprüft und bei Bedarf Fördermaßnahmen verschrieben. Wenn ein Förderbedarf bei der U7a festgestellt wurde, dann erhält das Kind häufig auch eine Heilpädagogische Maßnahme und bleibt bis zur Einschulung gut betreut. Die nächste verpflichtende Untersuchung ist dann erst wieder die Schuleingangsuntersuchung 6-8 Monate vor der Einschulung. Wenn hier ein Förderbedarf festgestellt wird, ist es oft zu spät, noch Maßnahmen einzuleiten, die vor der Einschulung greifen können. An einigen Schulen wird das Kind mit seinen Eltern zu einem Einschullungsgespräch eingeladen, damit sich die Schule selbst ein Bild über den Entwicklungsstand des Kindes machen kann.
Die aktuellen Untersuchungszeitpunkte sind entweder zu früh oder zu spät in Bezug auf die Einschulung und sind scheinbar auch unzureichend in Hinblick auf die Ergebnisse.
Ähnlich gestaltet es sich mit den Kooperationsvereinbarungen zwischen Kita und Schule. Diese werden zwar vorgegeben aber für die inhaltliche Umsetzung wird ein Leitfaden zur Verfügung gestellt und die Umsetzung nur über Stichproben kontrolliert. Letztendlich sind die Inhalte nicht klar definiert. Jede Einrichtung kann die Vereinbarung inhaltlich individuell gestalten.
Da aber freie Kita- und Schulwahl besteht, ist es noch nicht mal vorausgesetzt, dass die Kinder den Übergang in der Schule erleben, mit der die Kita die Kooperationsvereinbarung gemacht hat.
Letztendlich müssen wir die vorhandenen vorschulischen Untersuchungen vereinheitlichen, verbessern, die Ressourcen bündeln und die verschiedenen Fachgebiete gut vernetzen. Es muss ein geeigneter Zeitpunkt spätestens zwölf Monate vor der Einschulung gesetzt werden, an dem Erzieher, Lehrkräfte, Ärzte, Heil- und Sonderpädagogen sich intensiv mit den Eltern über den Entwicklungsstand des Kindes austauschen, um ggf. Fördermaßnahmen einzuleiten und die Einschulungsmöglichkeiten zu beraten.
Es reicht also nicht nur eine gute und einheitliche Kooperation zwischen Kitas und Schulen, sondern es muss auch eine gute und verpflichtende Kooperation zwischen Eltern und Fachpersonal geschaffen werden. Kinderärztliche Befunde, Beobachtungen der Kita, Sonderpädagogische Begutachtungen und die Einschätzungen der Eltern müssen gut koordiniert werden und effektiv zusammenlaufen, um dem Kind gerecht zu werden und um Personalressourcen zu schonen.
Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass Kitakinder sich in wenigen Monaten enorm entwickeln können, wenn man ihnen Zeit gibt und eine entwicklungsfördernde Umgebung und adäquate Unterstützung bietet.
Wir müssen weg von dem aktuellen Flickenteppich der vielfältigen Testverfahren und Begutachtungen und ein einheitliches Konzept erstellen, um den Kindern - bei Bedarf mit zielgerichteten Maßnahmen-einen guten Schulstart zu ermöglichen.