Rede · Sybilla Nitsch · 17.07.2024 Bekenntnisse ohne konkrete Ziele sind zu wenig
„Wir brauchen dauerhafte und verbindliche Lösungen für alle Ausbildungsberufe. Hierzu erwarten wir eine angemessene bundespolitische Initiative, die wir von Seiten des SSW auf der Landesebene tatkräftig unterstützen werden.“
Sybilla Nitsch zu TOP 19 - Grenzüberschreitende Berufsausbildung verbessern und attraktiver gestalten (Drs. 20/2308)
Die Bundesrepublik Deutschland hat jüngst ein umfassendes Abkommen über die grenzüberschreitende Berufsausbildung abgeschlossen. Das Gesetz zum Abkommen wurde am 13. Juni im Bundestag verabschiedet, und am 5. Juli im Bundesrat beschlossen. Rahmenvereinbarungen zwischen den Ländern gab es bereits seit 2013. Das Abkommen regelt im Detail, wie die arbeitsvertraglichen Modalitäten auszugestalten sind, wo die Berufsschule besucht wird, welche Abschlüsse erworben werden können und noch vieles mehr.
Da könnte man aufatmen und meinen: super, das Problem ist gelöst! Aber nein, leider hat die Bundesrepublik diesen Vertrag mit Frankreich abgeschlossen und nicht mit Dänemark. Mithin gilt der Vertrag nur für Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und das Saarland.
Und doch frage ich mich: müssen wir das Rad wirklich neu erfinden? Es muss doch auch für die deutsch-dänische Grenzregion machbar sein, eine Regelung zu schaffen, die es ermöglicht, auf der einen Seite der Grenze im Betrieb zu arbeiten und im Nachbarland die Berufsschule zu besuchen. Insbesondere in unserer strukturschwachen Grenzregion wäre das für viele Betriebe von Interesse, weil man die Auszubildenden dann an die nächstgelegene Berufsschule auf der anderen Seite der Grenze schicken könnte, wenn dort das entsprechende Fach angeboten wird. Und wir würden junge Menschen ausbilden, die mit großer Selbstverständlichkeit für ein Berufsleben auf beiden Seiten der Grenze gerüstet wären.
Auch die Anerkennung der Abschlüsse für diese Absolventen würde entfallen. Es ist mir schleierhaft, warum es in einer deutschen Grenzregion möglich ist eine solchen Vertrag zu schließen und wir uns in einer anderen Grenzregion desselben Landes so auf den Füßen stehen, dass wir seit Jahren weder vor noch zurückkommen.
Ich schlage vor, dass man in die geplante nationale Arbeitsgruppe nicht nur Akteure aus unserer Grenzregion einbindet, sondern auch aus der deutsch-französischen, um von dort ganz konkret Lösungsvorschläge mitzunehmen. Darüber hinaus ist es natürlich wünschenswert, dass auch die Anerkennung der nationalen Ausbildungen im Nachbarland reibungslos funktioniert. Allerdings scheint mir das Problem auch nicht riesig zu sein. Ca. 12.000 deutsche und ca. 1.000 dänische Grenzpendler haben es geschafft, dieses Problem zu lösen. Laut Regionskontor gibt es hierzu auch nur wenig Beratungsbedarf.
Anders sieht es dann im Detail aus. Mit einem deutschen Gabelstaplerschein dürfen Sie in Dänemark noch lange keinen Gabelstapler fahren, der Schein muss meist vor Ort neu erworben werden. Hier müssen mit Dänemark zusammen Lösungswege gefunden werden, die solche Hemmnisse im Detail abbauen.
Die aktuellen Pendlerzahlen zeigen aber auch, dass an unserer Landgrenze zwei sehr unterschiedliche Arbeitsmärkte aufeinandertreffen, die für die Arbeitssuchenden nicht gleichermaßen attraktiv sind. Dänemark hat annähernd Vollbeschäftigung, so dass wenig Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Außerdem sind die Rahmenbedingungen am deutschen Arbeitsmarkt für viele Dänen nicht ausreichend attraktiv, um den Weg über die Grenze zu wählen. Umso sinnvoller wäre es, gerade den jungen Auszubildenden ein attraktives grenzüberschreitendes Angebot zu machen, das sie vielleicht davon abhält, aus der Grenzregion abzuwandern nach Aarhus und Kopenhagen oder nach Kiel und Hamburg.
Es ist an der Zeit, die kaum nachhaltigen und doch immer wiederkehrenden Interreg-Projekte zur grenzüberschreitenden Berufsausbildung durch ein dauerhaftes Modell nach dem Vorbild in der deutsch-französischen Grenzregion zu ersetzen. Es genügt eben nicht, grenzüberschreitende Ausbildungsmodelle für bestimmte Berufsgruppen zu erarbeiten. In der Sache sind wir bei der SPD, aber die Forderungen münden nicht in einer festen Struktur, sondern sind eher Bekenntnisse. Das ist zu wenig!
Wir brauchen dauerhafte und verbindliche Lösungen für alle Ausbildungsberufe. Hierzu erwarten wir eine angemessene bundespolitische Initiative, die wir von Seiten des SSW auf der Landesebene tatkräftig unterstützen werden.