Speech · Lars Harms · 11.10.2023 Wozu brauchen wir den digitalen Euro?

„Welche konkreten Vorteile sich für Bürger wie für Unternehmen im Alltag ergäben, die über ein „nice to have“ hinausgehen, ist Stand jetzt noch ziemlich offen.“

Lars Harms zu TOP 20 - Vertrauen und Akzeptanz stärken – Entwicklung des Digitalen Euro konstruktiv begleiten (Drs. 20/1466)

Am 29. September hat der Bundesrat in seiner letzten Sitzung eine umfangreiche Stellungnahme zu den entsprechenden EU-Vorschlägen zur Einführung des digitalen Euro abgegeben. Auch das Land Schleswig-Holstein hat diese Beschlussvorlage mitgetragen. In dieser Vorlage finden sich sämtliche Punkte, die wir nun also auch in diesem vorliegenden Antrag der regierungstragenden Fraktionen finden. Ein ziemlich sinnloser Vorgang; wir wollen hier schließlich Anträge zur Kontrolle der Regierung und für innovative politische Ideen stellen – und keine reinen Jubelanträge, um die Landesregierung im Nachgang zu feiern.

Was verbirgt sich hinter dem Schlagwort „digitaler Euro“? „Ein digitaler Euro wäre eine digitale Form von Zentralbankgeld, konkret des Euro. Er könnte von der breiten Bevölkerung in ähnlicher Weise genutzt werden wie Bargeld – nur eben in virtueller Form.“ So erklärt es die Deutsche Bundesbank auf ihrer Internetseite und scheinbar ist damit alles gesagt. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht.

Weltweit arbeiten zahlreiche Zentralbanken an der Einführung von digitalem Zentralbankgeld; und nun also auch die EZB. Noch in diesem Oktober soll der EZB-Rat entscheiden, ob der digitale Euro in eine Probephase gehen soll. Aber wie genau dieser dann ausgestaltet wäre und welche konkreten Vorteile sich für Bürger wie für Unternehmen im Alltag damit ergäben, die über ein „nice to have“ hinausgehen, ist Stand jetzt noch ziemlich offen. 

In den bislang veröffentlichten Reden, Analysen und Kommentaren werden zwar angebliche Vorteile genannt. Der digitale Euro wäre die digitale Version unserer Gemeinschaftswährung, die eins zu eins an den Euro gekoppelt wäre. Neben privatwirtschaftlichen digitalen Zahlungsmitteln, also beispielsweise der Girokarte oder Bezahl-Apps, gäbe es dann also immer auch öffentliches Geld – sowohl als Bargeld als auch in Form des digitalen Euro. Genau wie Bargeld soll auch der digitale Euro risikofrei, überall verfügbar, effizient und nutzerfreundlich sein; und die grundlegende Nutzung wäre kostenlos. Aber wie wäre der digitale Euro konkret konzipiert? Anfängliche Überlegungen, den digitalen Euro als Kryptowährung zu konzipieren, wurden inzwischen wohl verworfen; stattdessen sollen nun die Zahlungen über ein zentrales System der EZB ablaufen. Dann würde der digitale Euro quasi wie das Buchgeld auf unseren Girokonten funktionieren, wäre also eine Kopie von etwas, das es schon gibt und das funktioniert. Warum sollte man als Durchschnittsbürger dann auf den digitalen Euro umsteigen? Die Argumentation, die auf den Schlagworten „geldpolitische Souveränität“, „Digitalisierungsschub“ und „finanzielle Privatsphäre“ aufbaut, wäre an dieser Stelle dann doch noch etwas dünn. Die meisten würden wohl einfach bei ihren bereits eingerichteten Konten und Apps bleiben.

Und apropos Privatsphäre und Souveränität: Wie stünde es eigentlich um Schutzmechanismen, Einschränkungen und Datenschutzfragen? Bargeld hat nach wie vor eine hohe praktische wie ideelle Bedeutung für sehr viele Menschen. Während wir mit Bargeld weitgehend anonym bezahlen können, wird dies mit digitalem Geld nicht mehr möglich sein. Schließlich könnte man den digitalen Euro nur mit einem Konto nutzen, durch das potenziell alle Transaktionen nachverfolgbar wären. Die Blockchain-Idee war ja wie gesagt bereits verworfen worden.
Finanzstabilität, Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Steuerhinterziehung lauten demnach die Gründe, weshalb das Bezahlen mit Digitalgeld nicht anonym sein könne – und weshalb auch über Maximalbeträge und Haltelimits für die digitale Brieftasche nachgedacht wird. Die Rede ist von maximal 3.000 Euro, aber dies sind wie gesagt alles noch Spekulationen. Wie eine solch kleine Geldbörse für den Durchschnittsbürger und vor allem für die Wirtschaft interessant sein könnte, bleibt unklar. 

Wir sehen: Es sind einfach noch viele Fragen offen und die konkreten Vorteile wollen sich noch nicht so richtig überzeugend erschließen. Entsprechend werden wir die Entwicklung weiter beobachten, aber immer von Schritt zu Schritt. Wichtig wird immer sein, die Ausgestaltung eines potenziellen digitalen Euros stets an den Bedürfnissen und Anforderungen der Nutzer – also der Bürgerinnen und Bürger sowie der Wirtschaft – auszurichten.

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