Rede · Lars Harms · 17.07.2024 Staatliche Anerkennung muss unkompliziert sein

„Besonders der hohe Praxisanteil im Weiterbildungsangebot wird bereits berufstätige Fachkräfte abschrecken. Hier ist der Gesetzentwurf, der jetzt aus dem Ausschuss vorgelegt wurde, ein Stück weit vom Idealzustand entfernt.“

Lars Harms zu TOP 4 - Entwurf eines Gesetzes über die staatliche Anerkennung akademischer Sozialberufe (Drs. 20/1864)

Dass wir jetzt als letztes Bundesland bei der staatlichen Anerkennung akademischer Sozialberufe vom Erlass zur gesetzlichen Regelung wechseln, ist gut und richtig. Die gesetzliche Regelung führt zu einer Professionalisierung der sozialen Berufe. Denn gerade in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und vulnerablen Personengruppen ist eine hohe Fachlichkeit und Qualifikation erforderlich. Deshalb sollten wir die gesetzliche Regelung so gestalten, dass möglichst viele Studierende der Hochschulen im Land die Möglichkeit bekommen, die staatliche Anerkennung zu erreichen und eine Motivation haben, diese in Schleswig-Holstein zu absolvieren. Dann ist diese gesetzliche Regelung eine echte Chance, um dem Fachkräftemangel in der sozialen Arbeit entgegenzuwirken. In erster Linie sollte die Möglichkeit zur staatlichen Anerkennung in Schleswig-Holstein nicht komplizierter sein als in anderen Bundesländern. Allein schon deshalb, damit uns keine Fachkräfte abwandern. Auch sollte das Weiterbildungsangebot zur staatlichen Anerkennung im für die bereits berufstätigen Pädagogen und deren Arbeitgeber einfach umsetzbar sein.

In etlichen Bundesländern ist es möglich seine staatliche Anerkennung mit einem Praxisanteil von circa 100 Tagen zu erlangen. Das entspricht in etwa der im Paragrafen 12 beschriebenen staatlichen Anerkennung im Rahmen eines Studiengangs mit Praxisanteil - der so genannten einphasigen Ausbildung. Hierfür müssen 800 Stunden, also auch circa 100 Tage in einem einschlägigen praktischen Arbeitsfeld innerhalb von fünf Semestern absolviert werden.
Dahingegen fordert das im Paragrafen 7 beschriebene Weiterbildungsangebot mit Abschlusszertifikat für die staatliche Anerkennung im Rahmen in der zweiphasigen Ausbildung - einen zwölf Monate dauernden berufspraktischen Anteil in Vollzeit. Der berufspraktische Anteil kann zwar auch in Teilzeit - also 50 % abgeleistet werden, verlängert sich dann aber dementsprechend. Dieses Ungleichgewicht zwischen den Praxisanteilen der ein- und zweiphasigen Ausbildung sollte angeglichen werden. Besonders der hohe Praxisanteil im Weiterbildungsangebot wird bereits berufstätige Fachkräfte abschrecken. Hier ist der Gesetzentwurf, der jetzt aus dem Ausschuss vorgelegt wurde, ein Stück weit vom Idealzustand entfernt.

Immerhin wurde der Passus zum vierwöchigen Behördenpraktikum bereits im Änderungsantrag der Koalition von einer „muss“ Regelung zur einer „kann“ Regelung verändert. Die Forderung eines Behördenpraktikums ist scheinbar bundesweit einmalig in Schleswig-Holstein, denn bereits im berufspraktischen Teil arbeiten die pädagogischen Fachkräfte mit Behörden zusammen und erlernen den Umgang mit den entsprechenden Anträgen, Hilfeplänen und Gesetzgebungen. Die Streichung dieses Passus war also folgerichtig.

Ich möchte noch mal darauf hinweisen, dass die Hürden für diese Zusatzqualifikation angemessen gestaltet werden müssen. Denn auch wenn es kein Berufsverbot ohne staatliche Anerkennung gibt, werden Arbeitgeber häufiger Bewerber mit staatlicher Anerkennung einstellen als pädagogische Fachkräfte ohne die Anerkennung. Die pädagogischen Fachkräfte mit Hochschulabschluss ohne staatliche Anerkennung werden sich dann nicht auf schlecht bezahltere Jobs unterhalb der staatlichen Anerkennung bewerben, sondern wandern in andere Berufsbereiche ab. Allerdings benötigen wir zurzeit alle gut ausgebildeten Fachkräfte in der sozialen Arbeit. Deshalb sollten keine der pädagogischen Hochschulabschlüsse für das Weiterbildungsangebot zur staatlichen Anerkennung ausgeschlossen werden. Wie gesagt, wir brauchen sie alle.
Abschließend möchte ich noch mal lobend den Paragrafen vier zur Gleichstellung der staatlichen Anerkennung hervorheben. Zum einem, weil dadurch die Abschlüsse der anderen Bundesländer anerkannt werden und vor allem, weil es die staatliche Anerkennung eines im Ausland erworbenen Ausbildungsabschluss ermöglicht. In Zeiten des Fachkräftemangels sollten wir uns im Rahmen dieser gesetzlichen Regelung Gedanken machen, ob es in irgendeiner Form möglich ist, eine Vergütung im Praxisanteil der Ausbildung einzuführen. Denn die Entscheidung für einen sozialen Beruf sollte generell mehr Wertschätzung erfahren.

 

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