Speech · Christian Dirschauer · 27.02.2025 Schutz der sexuellen Identität in die Verfassung

„Antiqueere Gewalt ist ein strukturelles Problem, das wir gemeinsam und entschlossen bekämpfen müssen!“

Christian Dirschauer zu TOP 21 - Sicherheit und Gleichberechtigung für queere Menschen in Schleswig-Holstein: Entschlossene Maßnahmen gegen Diskriminierung und Gewalt (Drs. 20/2940(neu))

Diese Debatte ist bitter nötig. Denn es ist nicht nur traurige Realität, dass es bis heute Diskriminierung und Gewalt gegen queere Menschen gibt. Sondern es ist noch dazu Fakt, dass diese Phänomene beziehungsweise diese Form der Hasskriminalität sogar noch zunehmen. Und zwar auch hier bei uns in Schleswig-Holstein. Wir alle kennen die Bilder von abgerissenen und verbrannten Regenbogenflaggen. Wir alle haben vermutlich Berichte von homosexuellen Paaren gehört, die bepöbelt, beleidigt oder sogar tätlich angegriffen werden. Aber so unerträglich es auch ist: Antiqueere Gewalt ist längst nicht nur auf Ausnahmefälle beschränkt. Sie geschieht regelmäßig. Uns muss also klar sein, dass wir es hier nicht mit irgendwelchen kranken Einzeltätern zu tun haben. Sondern mit einem strukturellen Problem, das erschreckend ist und von uns allen gemeinsam und entschlossen bekämpft werden muss!

Laut Angaben der Landespolizei hat sich die Zahl der registrierten Straftaten, die in diese Kategorie der Hasskriminalität fallen, in den vergangenen drei Jahren fast verdreifacht. Diese Formen der Gewalt und Diskriminierung ziehen sich längst durch alle Gesellschaftsschichten. Von Drohungen gegen queere Kommunalpolitiker oder Kirchenmitglieder, die sich für die queere Community einsetzen bis hin zu verkappten Morddrohungen gegen Kinder und Jugendliche in vermeintlich geschützten Räumen wie beim Vorfall im Jugendnetzwerk lambda::nord in Lübeck. Im Ergebnis gehört es für viele Menschen in der queeren Szene mehr oder weniger zum Alltag, dass sie längst nicht nur auf Social Media angefeindet, sondern auf offener Straße beleidigt und bedroht werden. 
Ich hoffe sehr, dass ein solcher Umgang mit einer Minderheit nicht nur für uns vom SSW absolut inakzeptabel und beschämend ist. Ich finde wir sind hier alle miteinander in der Verantwortung, wenn es um entschlossene Gegenmaßnahmen geht. Wenn man bedenkt, dass nur knapp ein Viertel aller Betroffenen überhaupt Anzeige erstattet und die Dunkelziffer entsprechend hoch ist, dann sind die im Antrag genannten Forderungen wirklich mehr als berechtigt. Keine Frage: Wir müssen nicht nur die Gewaltprävention stärken, sondern auch viele Sicherheitsmaßnahmen nachschärfen. Wir müssen aber auch mehr Vertrauen zwischen potenziellen Opfern und Polizei schaffen und die LSBTIQ* Ansprechstelle der Polizei personell aufstocken. Und wir müssen vor allem auch Straftaten gegen queere Menschen systematischer erfassen und sowohl in der polizeilichen Kriminalitätsstatistik wie im Verfassungsschutzbericht deutlicher dokumentieren.

Haki, LSVD und andere Verbände weisen völlig zu Recht darauf hin: Es ist zu wenig, wenn wir in Schleswig-Holstein Angriffe und Hetze gegen queere Menschen nur beiläufig registrieren. Es müssen möglichst viele Fälle detailliert erfasst und es muss aufgeschlüsselt werden, wie viele dieser Taten zur Anklage und Verurteilung führen. Transparenz ist absolute Grundvoraussetzung für mehr Gerechtigkeit. Neben dem in unserem Antrag geforderten Leitfaden zur Verfolgung von Straftaten halte ich daher auch eine Ansprechstelle bei der Staatsanwaltschaft, die eng mit Polizei und queeren Verbänden zusammenarbeitet, für sinnvoll. Denn diese könnte effektiv sicherstellen, dass möglichst viele Hassverbrechen wirklich konsequent geahndet werden. Und genau das muss unser Ziel sein, wenn wir die Sicherheit und Gleichberechtigung für diese Gruppe verbessern wollen.

Für uns vom SSW steht völlig außer Frage, dass sich queere Menschen im Alltag, im Berufsleben oder in der Schule sicher fühlen müssen. Leider erleben wir aber seit Jahren so etwas wie eine Gegenbewegung zu den gesamtgesellschaftlichen Fortschritten, die es bei uns bei der Gleichberechtigung und beim Schutz dieser Minderheit gibt. Die USA sind nur ein aktuelles Beispiel dafür, wie queeren Personen relativ unvermittelt grundlegende Rechte entzogen werden. Das zeigt deutlich, wie wichtig es ist, frühzeitig gegen einen gesellschaftlichen Rechtsruck vorzugehen. Und daher ist es aus meiner Sicht nur konsequent, wenn wir uns hier darauf verständigen, dem Schutz der sexuellen Identität Verfassungsrang zu geben. Dies gewährleistet einen wirklich effektiven Schutz. Und der ist leider nötiger denn je.

 

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