Speech · Lars Harms · 19.07.2024 Pyro-Technik kontrolliert in die Stadien bringen

„Die Choreografien gehören zu den Fangruppen, so wie die Fans zu den Vereinen gehören. Von dieser gelebten Fankultur profitieren maßgeblich auch die Vereine. Eine gute Choreo ist begeisternd und ein Stadionbesuch wird zu mehr als nur einem Fußballspiel.“

Lars Harms zu TOP 24 - Pyrotechnik ist doch kein Verbrechen: Pilotprojekt zur kontrollierten Anwendung im Stadion (Drs. 20/2325)

Wer sich für Fußball begeistert und bei einem Spiel im Stadion live dabei ist, merkt schnell, wie die aktive Fankultur die Stimmung im Stadion – auch im übertragenden Sinne des Wortes – anheizt. Große und beeindruckende Choreografien oder Bühnenbilder, insbesondere der Heim- aber auch der Gästefans sind heute ein wichtiger Teil der Fankultur und aus den Stadien nicht mehr weg zu denken. Diese inszenierten Bilder, die sich zum Teil über den gesamten Fanblock erstrecken, sind durchaus beeindruckend, auch und gerade vor dem Hintergrund, dass sie auf freiwilliger Basis von den jeweiligen Fangruppen organisiert, finanziert und durchgestylt werden. Die Choreografien gehören zu den Fangruppen, so wie die Fans zu den Vereinen gehören. Von dieser gelebten Fankultur profitieren maßgeblich auch die Vereine. Eine gute Choreo ist begeisternd und ein Stadionbesuch wird zu mehr als nur ein Fußballspiel. Zu dieser Fankultur gehört aber auch, die sogenannte Pyrotechnik. Hier ist jedoch zu unterscheiden, zwischen dem Abschießen von Feuerwerksraketen oder dem Zünden von Böllern. Um die geht es hier nicht, es geht um das Abbrennen von bengalischen Fackeln, den sogenannten Bengalos oder Rauchtöpfen, denn die sind aus Sicht der Fangruppen auch Bestand vieler Choreografien. 
Und damit sind wir beim vorliegenden Antrag. Jegliche Art von Pyrotechnik ist in deutschen Stadien verboten. Doch trotz aller Sicherheitsvorkehrungen gelingt es den Fangruppen immer wieder, Pyrotechnik ins Stadion zu schmuggeln. Sie wird in den vollen Fan-Blocks unkontrolliert abgebrannt oder das Stadion wird in Rauchschwaden eingenebelt. Die sogenannten Bengalos werden beim Abbrennen bis zu 2.500 Grad heiß. Das bedeutet, wir haben es mit einer Hitze zu tun, die zu massiven Verbrennungen oder auch Sachbeschädigungen führen kann. Bengalos sind kein Spielzeug, daher ist das Abrennen in den Stadien auch in mehrfacher Hinsicht ordnungsrechtlich oder sogar strafrechtlich relevant. Verstöße beispielsweise gegen das Sprengstoffgesetz, gegen das Vermummungsverbot oder gegen das Hausrecht halten die Fans nicht davon ab, Pyro-Technik in die Stadien zu schmuggeln und sie dort unkontrolliert zu entzünden. Das strikte Vorgehen von DFB und DFL mit Strafzahlungen gegen die jeweiligen Vereine erzielt keine Wirkung. Die jeweiligen Fans sind nicht dingfest zu machen, da sie in den meisten Fällen vermummt sind und in der Masse untergehen. 
Die Diskussion um das unerlaubte Abbrennen von Pyros wird bereits seit Jahren ohne zufriedenstellendes Ergebnis geführt. Seit Corona verzeichnen wir sogar eine Zunahme an Pyro-Technik in den Stadien. Mit der erlaubten Pyro-Show – auf einmal hat es einen Show-Effekt – beim Eröffnungsspiel zur EM 2024 wurde die Diskussion um Pyrotechnik im Stadion neu belebt. Wie kriegen wir also das Problem in den Griff? 
Die FDP in der Bremer Bürgerschaft hat einen Antrag eingereicht, den die Kollegin Krämer hier übernommen hat. Demnach soll der sogenannte „Chemnitzer Weg“ als Pilotaktion im Holstein-Stadion in Kiel und an der Lohmühle in Lübeck ermöglicht werden. Unter entsprechenden Rahmenbedingungen und unter wissenschaftlicher Begleitung soll das Abbrennen von Bengalos und Rauchtöpfen in einem Pilotverfahren ermöglicht werden. Ähnliche Initiativen und Versuche hat es schon einmal 2020 beim HSV oder auch vor Kurzem beim dänischen Erstligisten Bröndby IF gegeben. Ausgewiesene Plätze im Stadion, feste Zuweisung von Personen, Verantwortungsbereichen und Zeitpunkten, das sind die Kriterien, um die Nutzung bestimmter Pyro-Techniken im Stadion zu ermöglichen. 
Da wir das Problem mit den bisherigen rechtlichen Verboten und Maßnahmen nicht in den Griff bekommen, sollten wir einen anderen Weg einschlagen, den dann alle mittragen können – sowohl Fan-Gruppierungen, Vereine sowie andere beteiligte Akteure. Der beschriebene „Chemnitzer Weg“ könnte durchaus so ein Modell sein. 
Dass wir in Schleswig-Holstein oder in Deutschland nicht allein mit der Problematik von illegaler Pyro-Technik in den Stadien zu tun haben, wird deutlich, wenn wir Bilder aus anderen europäischen Stadien sehen. Auch dort gehören Bengalos und Rauchtöpfe zu den Choreos der Fan-Gruppen. Daher wird auch dort nach Wegen gesucht, um einen verantwortungsvollen Umgang mit Pyro-Technik zu ermöglichen. So hat Frankreich beispielsweise den Gebrauch von Pyro-Technik als dreijähriges Pilotprojekt in offenen Stadien gestattet. Norwegen hat jüngst einen entsprechenden Ansatz gestartet, auch dort soll es als Pilotverfahren, unter strengen Auflagen, für drei Jahre möglich sein. Das Ziel ist jeweils, die unerlaubte Nutzung von Pyro-Technik einzudämmen und es aus dem Gefahrenbereich herauszuholen. Das sollte auch unser Bestreben hier sein. Mit einem Nein zu einem Pilotversuch verschließen sie sich der Realität und zementieren das bisherige unerlaubte und gefährliche Vorgehen der Fans. Damit ist niemandem geholfen.

 

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