Speech · Lars Harms · 20.03.2015 Lars Harms zu TOP 21 - Aufrüstung der Geheimdienste stoppen

Staaten, die Grundrechte ohne eine entsprechende Abwägung mit anderen Grundrechten politisch beeinflussen wollen, sollten nicht unser Vorbild sein

Betrachtet man den Wortlaut des Antrages der Piraten unter Punkt 1, wird eine Schwierigkeit deutlich. Die Piraten nennen eine Vielzahl von angeblichen rechtlichen Beeinträchtigungen und subsumieren diese unter Grundrechtsbeschränkungen. Diese von den Piraten definierten Grundrechtsbeschränkungen sollen nun von der Landesregierung pauschal verhindert werden. Ob hier in jedem Einzelfall, der hier beschrieben wird, wirklich Grundrechte berechtigterweise beschränkt werden oder nicht, will ich hier gar nicht thematisieren. Dies könnte ein Gericht viel besser tun. Allerdings weiß der Nicht-Jurist Lars Harms, dass Grundrechte immer nur dann eingeschränkt werden können, wenn sie mit anderen Grundrechten – die es zu schützen gilt – abgewogen werden. Das gilt sowohl in der konkreten Rechtsgüterabwägung als auch im Gesetzgebungsprozess. Wenn man eine Forderung aufstellen wollte, müsste man konsequenterweise eine faire Rechtsgüterabwägung im Gesetzgebungsprozess einfordern. Denn es kann durchaus notwendig sein, die im Piraten-Antrag genannten Bereiche einzuschränken, wenn damit beispielsweise das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit geschützt werden kann. Wie weit diese Abwägung zum Beispiel bei der Übermittlung personenbezogener Daten zur Verhinderung eines terroristischen Angriffs geht, kann man sicherlich in einer 5-Minuten-Rede nicht abschließend darstellen. Fest steht allerdings, dass pauschale Forderungen ohne Abwägungsprozess nicht unserer Rechtsordnung entsprechen.

Im Gegenteil, die Staaten, die Grundrechte ohne eine entsprechende Abwägung mit anderen Grundrechten politisch beeinflussen wollen, sollten nicht unser Vorbild sein. Eine politisch motivierte Entscheidung, ohne Abwägungsprozess, erscheint uns auch rechtsstaatlich nicht als der richtige Weg. Man kann die politischen Vorstellungen, die im Piratenantrag enthalten sind, ganz oder teilweise teilen oder eben auch nicht. Aber immer, wenn es darum geht, einen Gesetzgebungsprozess durchzuführen, sollten wir sehr genau darauf achten, dass wir auch in unserer Antragstellung die rechtsstaatlichen Prinzipien nicht außer Acht lassen. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass auch die Verfassungsschutzbehörden nach Artikel 20 des Grundgesetzes an die allgemeinen Rechtsvorschriften gebunden sind. 

Wir können also gerne über alle diese Punkte im Antrag der Piraten diskutieren, aber ich bin mir sicher, dass es durchaus auch sein kann, dass in der Abwägung zwischen verschiedenen Grundrechten Zwischenlösungen die Lösung sein können.

Die Nummer 2 des Antrages befasst sich mit V-Leuten und Undercover-Agenten. Natürlich ist der Idealzustand, dass man keine Menschen finanziell unterstützt, die Straftaten begehen oder Straftäter unterstützen. Allerdings hätten wir dann überhaupt keine Erkenntnisse mehr, weil alle Organisationen, die beobachtet werden, natürlich auch verfassungsfeindliche Tendenzen haben und entsprechende Personen potentiell auch Straftaten begehen. In Nordrhein-Westfalen sind Undercover-Agenten in einer terroristischen oder verfassungsfeindlichen Organisation nur erlaubt, solange sie keine Führungsrollen übernehmen und keine Straftaten von "erheblicher Bedeutung" begehen. Vielleicht ist eine solche abgestufte Regelung die Lösung. Ganz auf V-Leute zu verzichten und sie rechtlich unmöglich zu machen, ist aber keine Alternative.

Was die Auslandsüberwachung in Punkt 3 angeht, kann man hier über erweiterte Formulierungen nachdenken. Man könnte beispielsweise grob formulieren, welche Maßnahmen im Ausland denkbar wären. Was wäre aber dann gewonnen? Die Formulierungen müssten trotzdem immer noch so vage sein, dass sie genügend Spielraum lassen, dass die Auslandstätigkeit weiter fortgesetzt werden könnte. Ich weiß nicht, ob wir hier wirklich so viel echten praktischen Spielraum haben. 

Das gilt auch für die Frage, ob Daten, die auf einer ausländischen Rechtsgrundlage erhoben wurden, die nicht der unsrigen Rechtslage entspricht, genutzt werden dürfen oder eben nicht. Wenn die ausländische Rechtslage einwandfrei ist, sehe ich erst einmal keine Schwierigkeiten, da auch ausländische Staaten mit anderen Gesetzen durchaus auch Rechtsstaaten sein können. Vielmehr stellt sich doch die Frage, ob Daten, die in Deutschland entgegen unserer rechtlichen Bestimmungen erhoben werden, rechtlich einwandfrei erworben worden sind. Dabei macht es aber keinen Sinn, diese Daten im konkreten Fall – beispielsweise bei einem terroristischen Angriff - nicht nutzen zu wollen. Vielmehr stellt sich doch die Frage, ob man den betreffenden Staat nicht davon abhalten kann, zukünftig solche Daten in Deutschland zu erheben. Das allerdings ist entweder eine geheimdienstliche Aufgabe oder Sache der Diplomatie zwischen zwei Staaten.

Gerade diese internationalen Fragen lassen sich wahrscheinlich nicht per Bundesgesetz regeln, sondern hier müsste es eigentlich bilaterale Verträge geben, an die man sich dann auch hält. Da spielt Vertrauen eine größere Rolle als rechtliche Fragen. Und das mit dem Vertrauen klappt nicht immer. Aber ein rechtlicher Weg an den sich die ganze Welt hält, sehe ich so nicht.

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