Speech · 21.03.2012 Landesministergesetz, Abgeordnetengesetz, Landesbeamtengesetz


Im Willy Brandt Haus in Lübeck erinnert ein Zitat an die Grundfesten unserer Gesellschaften: „Die Demokratie ist keine Frage der Zweckmäßigkeit, sondern der Sittlichkeit“. Dieses Brandt-Zitat erlegt uns Abgeordneten die Pflicht auf, unsere Aufgaben so zu erledigen, dass sie moralischen Maßstäben genügen: nachvollziehbar, gerecht, nachhaltig und im Verfahren transparent. Nur auf diese Weise verdienen wir Vertrauen, das wiederum die Wählerinnen und Wähler zur Teilhabe motiviert. Verspielen wir Vertrauen, unterhöhlen wir die Grundlage unserer Demokratie.
Vertrauen in Politiker ist aber ein knappes Gut geworden. Deshalb müssen sich der Landtag und die Landesregierung mit diesen neuen Verhaltensregeln die Glaubwürdigkeit wieder zurück erobern. Naja, höre ich dann auch hier im Landtag, beim eigenen Geld hört das aber auf. Die Chefin des Wissenschaftszentrums in Berlin, Jutta Allmendinger bringt es auf den Punkt: "Geld ist in unserer Gesellschaft stärker tabuisiert als Sex." Weder in Kneipen, noch in Büros oder in Familien wird darüber gesprochen, wie viel man verdient. Gefragt schon gar nicht.
Das sollte uns aber nicht davon abhalten, in diesem Punkt Offenheit zu zeigen. Denn die Bürgerinnen und Bürger sind nicht unsere Freunde, sondern im übertragenden Sinne unsere Arbeitgeber. Und die wissen sehr wohl, was ihre Beschäftigen in der Lohntüte haben. Und genau diesen Anspruch haben auch die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner.
Setzen wir das um. Überfraktionell im Konsens. Noch heute. Wir haben das nämlich schon viel zu lange vor uns her geschoben.
Fast genau vor zwei Jahren, am 18. März 2010, debattierten wir die Entwürfe erstmals im Plenum. Damals hielten alle Oppositionsfraktionen den Beginn der Legislaturperiode für den geeigneten Zeitpunkt, um das Vorhaben der Transparenz in die Tat um zu setzen. Seitdem schmoren die Entwürfe allerdings in den Ausschüssen. Die Technokraten sprechen so gerne von Zeitfenster. Das Fenster, um eine neue Transparenz-Kultur in Schleswig-Holstein zu etablieren, scheint der Wahlkampf mit heftigen Getöse fest verschlossen zu haben. Ich gebe aber die Hoffnung nicht auf, dass wir heute gemeinsam den wichtigen und richtigen Schritt unternehmen.

Wir denken bereits seit vielen Jahren darüber nach, wie wir den Parlamentsbetrieb transparenter gestalten können. Dem SSW war das Vorhaben ein zentrales Anliegen. Wir haben um das Informationsfreiheitsgesetz gestritten und dafür gekämpft, weil wir der tiefen Überzeugung sind, dass Vertrauen auf Transparenz basiert. Uns war gleichzeitig klar, dass wir nur Transparenz einfordern können, wenn wir selbst bereit sind, unsere Abläufe und eben auch unsere Nebeneinkünfte offen zu legen. Bezüge und Nebeneinkünfte von Politikern und Regierungsmitglieder müssen öffentlich werden. Dem SSW ging es nie, und geht es auch heute nicht um Einzelfälle, sondern um eine neue Linie der Fairness, der sich Minister, Staatssekretäre und auch wir Abgeordneten verpflichten. Die vorgelegten Entwürfe folgen dem Beispiel der Gesetzgebung, die sich der Bundestag gegeben hat. Außerdem beziehen sie die Landesregierung mit ein.
Ausdrücklich soll das neue Gesetz Nebentätigkeiten, deren Einkünfte möglicherweise die Höhe der Diäten übersteigen können, weder verhindern noch verteufeln. Es geht darum, dass die Bürgerinnen und Bürger genau wissen sollen, in welchen Gremien oder Unternehmen die Abgeordneten oder auch die Minister sonst noch tätig sind. Ob diese Nebentätigkeiten dann zu einem Interessenkonflikt führen könnten, kann die Öffentlichkeit dann selbst beurteilen. Aus Sicht des SSW haben die Bürgerinnen und Bürger Schleswig-Holsteins Anspruch darauf, zu erfahren, ob Abgeordnete ihre Entscheidungen frei treffen. Die unwürdigen Verflechtungen, in die sich die niedersächsische Landesregierung unter ihrem damaligem Ministerpräsidenten Christian Wulff begeben hat, sollten uns Warnung sein.
Gerade weil jetzt wieder Politikerschelte um sich greift, brauchen wir den gläsernen Abgeordneten und den gläsernen Minister. Die vorgeschlagene Anzeigepflicht und die Selbstverpflichtung entziehen den wilden Spekulationen den Boden. Es ist an uns, Fakten gegen Vorurteile und Halbwahrheiten zu setzen. Es sollte den Abgeordneten in Fleisch und Blut übergehen, Einblick in die Einkünfte zu gewähren. Nur so werden mögliche Interessenkonflikte, die durch Nebeneinkünfte entstehen können, offen gelegt.


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