Speech · 23.03.2012 Krankenkassenüberschüsse sinnvoll nutzen
In einem Punkt haben die Grünen völlig Recht: Die Überschüsse der Krankenkassen sind Gelder der Versicherten, die dementsprechend auch den Menschen im Land zur Verfügung gestellt werden müssen. Unabhängig davon, wie hoch diese Überschüsse nun ganz genau sind, sind wir uns sicher alle darüber einig, dass diese Gelder sinnvoll verwendet werden sollen. Aus diesem Grund lehnen wir die vom Bund geplante Zweckentfremdung der Krankenkassenbeiträge strikt ab. Denn eine Sanierung des Bundeshaushalts aus dem Gesundheitsfonds geht direkt zu Lasten der gesetzlich Versicherten und ist damit höchst ungerecht.
Wir halten es grundsätzlich für erfreulich, dass die von der Bundesregierung in 2010 auf den Weg gebrachten Gesetze, insbesondere das Arzneimittel-Neuordnungsgesetz und das GKV-Finanzierungsgesetz ihre Ausgaben begrenzende Wirkung entfaltet haben. In der Folge ist es völlig logisch, dass der aktuelle Finanzüberschuss der Kassen viele Begehrlichkeiten weckt und zahlreiche Ideen hervorbringt, wofür diese Milliarden gebraucht werden können. Gerade weil es in unserem Gesundheitssystem so viele Baustellen gibt, hat der SSW Verständnis für ein solches Verhalten. Aus unserer Sicht ist es aber wichtig, auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben und realistische Vorschläge zu machen. Vor diesem Hintergrund schießt der Antrag der Grünen aus unserer Sicht ein wenig über das Ziel hinaus.
Ich denke, wir müssen die Überschüsse der Krankenkassen dringend einmal ins Verhältnis setzen: Von den rund 19,5 Milliarden Euro, die der Gesundheitsfonds und die gesetzlichen Kassen angehäuft haben, ist ein Großteil völlig zu Recht gebunden. Über circa 4,4 Milliarden Euro aus der Fonds-Reserve kann die Bundesregierung theoretisch verfügen. Diese Summe entspricht gerade einmal den Ausgaben der Kassen in einer einzigen Kalenderwoche. Zwar ist es aufgrund der vermeintlich hohen Überschüsse nachvollziehbar, wenn man sowohl den Versicherten, den Krankenhäusern und den Krankenversicherungen selbst, Hoffnung auf Entlastung macht. Aber auf diesem Weg weckt man viele Begehrlichkeiten, die mit Sicherheit nicht alle erfüllt werden können. Wir plädieren deshalb dafür, dass wir uns hier gemeinsam für kleinere Schritte einsetzen, die dann aber auch wirklich Aussicht auf Erfolg haben.
Ein Punkt, bei dem wir uns ja offensichtlich alle einig sind, ist die Abschaffung der Praxisgebühr. Jeder wird aus eigener Erfahrung bestätigen können, wie enorm der mit ihr verbundene bürokratische Aufwand ist. Sie hat ihr Hauptziel, die Bürger von ihren im EU-Vergleich überdurchschnittlich vielen Arztbesuchen abzubringen, eindeutig verfehlt. Auf die Häufigkeit hat die Gebühr nachweislich keinen Einfluss gehabt. Stattdessen wurde jedem Versicherten - unabhängig vom Einkommen - regelmäßig zusätzliches Geld aus der Tasche gezogen. Aus unserer Sicht ist die Abschaffung längst überfällig. Und diese Maßnahme ist gerade jetzt besonders sinnvoll, weil die Versicherten so auf direktem Weg entlastet werden. Hierfür muss sich die Landesregierung mit einer Bundesratsinitiative einsetzen.
Eine weitere Forderung ergibt sich aus der schwierigen wirtschaftlichen Lage der Krankenhäuser in Schleswig-Holstein. Allen ist klar, dass vor allem das völlig inakzeptable System der uneinheitlichen Basisfallwerte für ihre schlechte finanzielle Situation verantwortlich ist. Die Grünen wollen nun einen Teil der Krankenkassenüberschüsse dazu nutzen, um die Differenz zum bundesweiten Mittelwert auszugleichen. Das ist gut gemeint - aber doch der falsche Weg. Denn so kann leicht der Eindruck entstehen, dass wir uns mit dem System abfinden und uns damit arrangieren. Damit hier keine Missverständnisse aufkommen: Es steht völlig außer Frage, dass wir diese auf Jahre zementierte Ungerechtigkeit beenden müssen. Für den SSW ist dabei aber eins klar: Statt hier gelegentliche Finanzspritzen nach Kassenlage zu geben, müssen wir die ungerechte Struktur ändern. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, sich für die Wiedereinführung der zweiten Konvergenzphase einzusetzen, damit wir endlich zu einem bundeseinheitlichen Basisfallwert zu kommen.
Durch diese Maßnahmen können wir nicht nur die gesetzlich Versicherten im Land unmittelbar entlasten. Wir schaffen auch gleichzeitig für die Zukunft unserer Krankenhäuser stabile wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Und beides halten wir für dringend notwendig.