Speech · Jette Waldinger-Thiering · 17.10.2024 Kitabildung und Schulbildung gleichsetzten!
„Viele unserer europäischen Nachbarn tun dies bereits traditionell, hier sind die Übergänge fließend. Nur um das Beispiel der 0.- Klassen in Dänemark zu erwähnen, hier sieht man- wie Übergänge flexibel gestaltet von der Krippe bis zur Uni funktionieren können.“
Jette Waldinger-Thiering zu TOP 21+48 - Flächendeckende verpflichtende Sprachtests für Vierjährige und Bericht zum Übergang KiTa-Grundschule gemeinsam gestalten, Kompetenzförderung in den Blick nehmen (Drs. 20/2563 und 20/2457)
Wenn wir uns die Anträge und den Bericht genau anschauen, dann wird deutlich, dass wir doch eigentlich alle das Gleiche wollen. Unter dem Strich sollen unsere Sechsjährigen einen guten Schulstart erleben, die Chancengleichheit soll erhöht werden und die Heterogenität der Fähigkeiten in den Schuleingangsphase soll verringert werden. Auch besteht ein Konsens darüber, dass Sprache der Schlüssel zur Bildung ist. Deshalb sehe ich flächendeckende und verpflichtende Sprachtests oder besser noch ein Entwicklung Screenings mit viereinhalb Jahren als eine zielführende Maßnahme.
Die Frage stellt sich nur hierbei, wie aussagekräftig ein einmaliger Test ist, der allein die Sprachfähigkeit eines viereinhalbjährigen Kindes abbildet. Ein viereinhalbjähriges Kind steckt mitten in einer rasanten Entwicklungsphase. Ärzte wie auch Pädagogen verweisen immer wieder auf die Individualität der Entwicklungsprozesse und die Unterschiedlichkeit des Entwicklungstempo bei Kindern. Deshalb ist es gefährlich, nur auf das Merkmal Sprache zu schauen. Die Begutachtung muss ganzheitlich angelegt sein und die grundsätzlichen kognitiven Fähigkeiten des Kindes müssen erfasst werden. Immer mit dem Blick auf eine positive Prognose in der weiteren Entwicklung, denn bei Kindern unter sechs Jahren kann sich in eineinhalb Jahren noch viel entwickeln und verwachsen. Aber was macht man dann mit den Kindern, die nach so einer Begutachtung von einer frühzeitigen Förderung profitieren würden? Die Antworten im Bericht der Landesregierung zu dem „Übergang Kita- Grundschule und der Kompetenzförderung“ sind u.a. das Modellprojekt EVi zur Einschätzung sprachlicher Kompetenzen und die intensive Sprachförderung kurz SPRINT. Hier frage ich mich allerdings, wie das in der Realität aussehen soll. Die intensive Sprachförderung wird dann teilweise an Schulen angeboten? Wie soll ich mir das logistisch vorstellen? Statt den Logopäden und Sprachheilpädagogen in der KiTa sollen dann Lehrkräfte Sprachförderung machen? Nebenbei sollen auch noch Sozialraumangebote für Abhilfe schaffen. Bei den 10 % der Kinder, die aus verschiedensten Gründen keine KiTa besuchen- soll das Jugendamt mit Sozialpädagogischen Familienhelfer und Hilfe zur Erziehung nachbessern. Das ist doch unrealistisch!
Kurz um- viele Ideen zum Ausprobieren, aber weder EVi noch SPRINT, sind flächendeckend und kurzfristig greifende Maßnahmen. Wir wissen, dass Bildung ab Geburt beginnt und das die frühkindliche Bildung höchste Priorität haben sollte, trotzdem werden in Schleswig-Holstein Kitabildung und Schulbildung noch nicht gleich gesetzt.
Viele unserer europäischen Nachbarn tun dies bereits traditionell, hier sind die Übergänge fließend. Nur um das Beispiel der 0.- Klassen in Dänemark zu erwähnen, hier sieht man- wie Übergänge flexibel gestaltet von der Krippe bis zur Uni funktionieren können. Die Zusammenarbeit zwischen KiTa und Schule ist eine immens wichtige Stellschraube. Bei uns in Schleswig-Holstein beschränkt sich diese Zusammenarbeit auf einen undefinierten Kooperations-Vertrag. Auch wenn das Thema Kooperationsvertrag weiter entwickeln werden soll, reicht das Konstrukt nicht aus. Für fließende Übergänge im Bildungssystem benötigen wir klare Vorgaben und Verbindlichkeiten. Nur so kann es gelingen, die Kinder von Anfang an zu begleiten, zu beobachten, zu fördern und zu fordern.
Es muss mehr Flexibilität entstehen und Konzepte aus dem Kitabereich in die Grundschule einfließen und umgekehrt. Besonders in Hinblick auf knappe Kassen und dem Fachkräftemangel, gilt es doch Ressourcen zu bündeln, statt Parallelstrukturen aufzubauen.Vereinfacht gesagt- wir müssen die Einschulungsuntersuchung vorziehen auf viereinhalb Jährige anpassen und dann Synergieeffekte nutzen, um alle Möglichkeiten aus Kita und Grundschule in der Vorschulphase zu bündeln und dabei auf eine realistische Umsetzung achten.