Speech · Jette Waldinger-Thiering · 11.12.2024 Kinder- und Jugendgewalt entschieden entgegentreten

„Kinder, die körperlich wie psychisch Gewalt gegen Andere ausüben, sind keine Kinder, die man sanktionieren muss, sondern Kinder in höchster Not. Es sind Kinder, die nicht die Unterstützung und die sicheren Beziehungen erlebt haben, die es braucht, um ein gesundes Sozialverhalten und eine emotionale Regulation zu entwickeln.“

Jette Waldinger-Thiering zu TOP 32 - Kinder- und Jugendgewalt eindämmen und Hintergründe stärker beleuchten, Kinder- und Jugendgewalt entschieden entgegentreten (Drs. 20/2540)

Wir müssen uns dieses Thema regelmäßig vor Augen führen. 
Deshalb freut es mich besonders, dass wir uns im Bildungsausschuss über einen jährlichen Bericht zu dem Thema Kinder- und Jugendgewalt einigen konnten.
Anerkannte Studien konnten zwar keine signifikante Steigerung der Kinder- und Jugend Gewalt feststellen, jedoch erkennt man eine offensichtliche Veränderung. Durch das Fachgespräch im März wurden viele Erkenntnisse verdeutlicht. Vor allem, dass viele Kinder in ihrer sozialen und emotionalen Entwicklung gefährdet sind. Kinder, die körperlich wie psychisch Gewalt gegen Andere ausüben, sind keine Kinder, die man sanktionieren muss, sondern Kinder in höchster Not.
Es sind Kinder, die nicht die Unterstützung und die sicheren Beziehungen erlebt haben, die es braucht, um ein gesundes Sozialverhalten und eine emotionale Regulation zu entwickeln.
Was wir auch aus dem Fachtag zum Thema Kinder und Jugend Gewalt, mitnehmen können, ist die Empfehlung zur Prävention. Die Prävention muss ganzheitlich strukturiert werden. 
Wir wissen, dass Kinder- und Jugendgewalt kein alleiniges Schulprobleme ist, sondern ein Gesamtgesellschaftliches Problem. 
Die Prävention muss mit der Unterstützung in den Familien beginnen.
Die gestiegene Zahl an Kindeswohlgefährdungen und Inobhutnahmen durch die Jugendämter zeigen, dass viele Familien unter den multiplen Krisen und Herausforderungen unserer Zeit leiden. Bei einigen fehlt es nicht nur an wirtschaftlichen Ressourcen, sondern auch an Kraft und Stabilität, um ihre Eltern Rolle ausreichend auszufüllen. Deshalb müssen die Präventionsansätze aus der Jugendhilfe, der Eingliederungshilfe und des Kita- und Schulsystems vernetzt und verbunden werden.
Wir müssen die Synergieeffekte zwischen Bildung und Sozialsystem nutzen. Es gibt schon viele gute Konzepte, die verstärkt gefördert werden müssen, anstatt das Rad neu zu erfinden.
Es geht darum, dass Kinder und Jugendliche verlässliche Beziehung durch verlässliche Bezugspersonen erhalten. Das ist eine Grundvoraussetzung für ein gesundes und stabiles Selbstbild und für Selbstwirksamkeit. Idealerweise erleben Kinder, die sichere Bindung in ihren Herkunftsfamilie. Wenn diese hier aber fehlt, kann eine verlässliche Beziehung zu einem Erzieher oder einer Lehrerin einiges kompensieren. Das heißt aber auch – wir brauchen mehr Personal in Kitas und Schulen. Es müssen nicht nur Erzieher und Lehrer sein, sondern einfach genug qualifizierte Erwachsene, um den Kindern und Jugendlichen die Unterstützung benötigen gerecht zu werden.
Wir müssen den Fokus auf die frühen Hilfen und die Elternarbeit setzen und müssen die geforderten Punkte des Antrags mit Augenmaß verfolgen, denn das Schulsystem darf nicht mit noch mehr Papier und theoretischen Konzepten überfrachtet werden.
Wie bereits im Perspektivschulprogramm erkannt wurde, müssen die Konzepte aus der Praxis entstehen und dann an Ort und Situation angepasst werden. Wir müssen unsere Ressourcen bündeln, um unseren Kindern und Jugendlichen Lebensräume zu schaffen, in denen sie stabile Beziehung erleben und ihre Resilienz gefördert wird. Ein altes, viel zitiertes  Sprichwort aus Nigeria lautet: 
„Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen!“
In diesem Sinne möchte ich mich noch mal herzlich bei allen Teilnehmenden des Fachgespräches, wie auch den vielen anderen Engagierten im Sozial- und Bildungsbereich bedanken.
Für Ihren tagtäglichen Einsatz, bei dem sie ihr bestmögliches tun, um unsere Kinder- und Jugendliche zu fördern und zu unterstützen, um ihn ein positiver Werdegang zu ermöglichen. 

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