Speech · Lars Harms · 26.11.2021 Jamaika schiebt arme Mieter in die Randgebiete

„Wir haben einen Gesetzentwurf vorgelegt, der eine Fehlbelegungsabgabe ermöglicht hätte und darüber hinaus das Wohnraumschutzgesetz eingebracht. Dabei wollen wir den Kommunen mehr Mittel für sozialen Wohnraum zur Verfügung stellen sowie Zweckentfremdung und Mietwucher unterbinden.“

Lars Harms zu TOP 5 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Schleswig-Holsteinischen Wohnraumförderungsgesetzes (Drs. 19/2908)

Immer wieder sprechen wir hier im Parlament über das Thema Wohnraum. Ein vielschichtiges Thema, welches sich je nach Region im Land, ganz unterschiedlich und zum Teil sogar ganz gegensätzlich darstellt. Wohnraum war schon immer wichtig für das Wohlbefinden der Menschen im Land. Im Jahr 2021 wird zudem noch deutlicher: Noch nie war Wohnraum wertvoller als jetzt. Das bedeutet, nicht jeder oder jede kann sich einen solchen hochpreisigen Wohnraum leisten. Und das ist ein Problem. Laut einer aktuellen Studie der Hans-Böckler-Stiftung, bleibt jedem achten Mieterhaushalt in einer deutschen Großstadt nach Abzug der Miete, nur noch das Existenzminimum. Genau daran wollen wir als SSW etwas ändern. Es braucht klare, gesetzliche Vorgaben, um in dieser Situation Abhilfe zu schaffen. Was die Landesregierung hier vorschlägt, trägt unserer Auffassung nach jedoch nicht dazu bei. Warum nicht? Dazu muss man den Gesetzestext einmal an einem praktischen Beispiel festmachen. Nehmen wir eine größere Stadt, in der es besonders an bezahlbaren Wohnraum fehlt: Wie beispielsweise Flensburg. Hier gibt es eine Fläche in direkter Nähe zum Hafen, die für ein neues Bauprojekt frei geworden ist. Dort sollen nun also große Mehrparteienwohnungen entstehen. Die könnten dann beispielsweise mit 20 % Sozialwohnungen belegt werden. Die Wohnungen mit Balkon und Fördeblick werden natürlich keine Sozialwohnungen werden, sondern die, die an der Seite zur Straße liegen. So weit so gut. 

Ein Mieter oder eine Mieterin bezieht also eine Sozialwohnung. Nach wenigen Monaten verliert diese Person jedoch ihr Anrecht auf den Wohnungsberechtigungsschein. Mehr Einkommen bedeutet bisher: Umzug und zwar schnell. Das vorliegende Gesetz möchte das ändern und sieht in diesem Fall eine so-genannte Experimentierklausel vor. Und nun wird es richtig kompliziert. Konkret soll das heißen, die Mieter können in ihrer Wohnung bleiben, zahlen aber eine reguläre Miete. Für Mieter in einer Lage wie im Beispiel am Flensburger Hafen beschrieben, kann das natürlich richtig teuer werden. Der Kreis derjenigen der sich die Wohnung dann noch leisten kann, ist gering. Falls doch, dann kann der Wohnungseigentümer aber nun dank des Gesetzes, eine andere Wohnung der Sozialbindung unterlegen. Die Chance, dass diese im gleichen Viertel liegt, ist aber eher gering. Was dann angeboten wird, sind dann wohl eher die Wohnungen, die keiner haben will, in weniger attraktiven Wohngegenden und mit einer schlechteren Infrastruktur. Und so werden arme Mieter wieder einmal in die Randgebiete geschoben – diesmal aber per Gesetz. Was auf dem Papier als adäquat gilt, ist es in Realität noch lange nicht. Die Wohnung mit Sozialbindung an der Flensburger Förde wäre verloren und der Vermieter freut sich über hohe Einnahmen, während die Mieter in bestimmte Viertel abgeschoben werden. Wir als SSW haben jedenfalls Zweifel, ob tatsächlich gleichwertige Wohnungen in ausreichender Zahl überhaupt verfügbar sein werden. Hinzu kommt, dass keine einzige zusätzliche Sozialwohnung geschaffen wird.  Verwaltet wird lediglich ein Status-Quo auf kompliziertem Niveau. Auch wenn der ursprüngliche Gedanke der Landesregierung ein guter gewesen sein mag, so zeigt mein Beispiel doch, dass der Weg wahrscheinlich nicht besonders zielführend sein wird. Wir als SSW haben daher einen Gesetzentwurf vorgelegt, der eine Fehlbelegungsabgabe ermöglicht hätte und darüber hinaus das Wohnraumschutzgesetz eingebracht. Dabei wollen wir den Kommunen mehr Mittel für sozialen Wohnraum zur Verfügung stellen sowie Zweckentfremdung und Mietwucher unterbinden. Das alles ohne viel administrativen Aufwand.  Die Bekämpfung der Wohnungsknappheit muss angegangen werden.  Unserer Auffassung nach, liegen die richtigen Instrumente diesbezüglich auf dem Tisch. Der vorliegende Gesetzentwurf gehört aber nicht dazu. 

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