Rede · Lars Harms · 26.09.2024 Faktenbasierte Diskussionen statt unüberlegtem Aktionismus

„Menschen, die illegal aus Dänemark nach Deutschland einreisen möchten, müssen doch vorher erst durch Deutschland nach Dänemark einreisen. Das ist doch absurd!“

Lars Harms zu TOP 27 - Keine Grenzkontrollen im deutsch-dänischen Grenzland (Drs. 20/2475)

Und täglich grüßen…die Grenzkontrollen! Seit Jahren diskutieren wir dieses Thema nun schon regelmäßig in unserem Hause. Meistens ging es dabei aber um die Kontrollen Dänemarks. Das ist dieses Mal anders. Seit dem 16. September, also seit letzter Woche, gibt es an allen deutschen Grenzen Kontrollen, die von Bundesinnenministerin Nancy Faeser veranlasst wurden. 
Nicht nur hat sich die SPD-Ministerin mit diesem Beschluss inhaltlich ordentlich die Butter vom Brot nehmen lassen, sie zeigt damit auch keinerlei Gefühl für die aktuelle Situation und die Dynamiken im deutsch-dänischen Grenzland. 
Um es ganz direkt zu sagen: dieser Aktionismus auf Bundesebene bringt den Menschen im deutsch-dänischen Grenzland wirklich gar nichts! Die 13.000 Pendlerinnen und Pendler täglich, Studierende, Touristen, die Wirtschaft und nicht zuletzt die nationalen Minderheiten auf beiden Seiten der Grenze sind direkt von den Kontrollen betroffen. Das sind Millionen von Grenzübertritten jedes Jahr, denen 289 illegale Einreisen nach Deutschland aus Dänemark im ersten Halbjahr gegenüberstehen. 
Die Bundespolizisten stehen sich an unserer Grenze buchstäblich die Beine in Bauch. Aber an der deutsch-dänischen Grenze brauchen wir keine Beschäftigungstherapie, sondern eine enge grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Behörden beider Länder – OHNE Grenzkontrollen! 
Das sieht das Schengener-Abkommen von 1985 übrigens auch so vor. Offene Binnengrenzen und dafür eine enge polizeiliche und juristische Zusammenarbeit über die Grenze hinweg. Und auch wenn einige Länder schon seit Jahren das Schengener-Abkommen untergraben und immer wieder Gründe für eine Verlängerung der Grenzkontrollen finden, habe ich zumindest von der schleswig-holsteinischen Landesregierung mehr Widerstand erwartet.

Es ist schließlich nicht besonders lange her, genaugenommen war es im Mai letztes Jahr, als wir fraktionsübergreifend einen Antrag beschlossen haben, in dem wir uns einig waren, dass Grenzkontrollen innerhalb der EU grundsätzlich nicht zulässig sind und schnellstmöglich beendet werden sollten. 
Im August 2022 haben wir einen Antrag beschlossen, in dem wir uns darüber einig waren, dass Grenzkontrollen der Idee eines freien und offenen Europas widersprechen und einen negativen Einfluss auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit haben. 
Diesen Anträgen haben alle Parteien zugestimmt. Die aktuellen Grenzkontrollen sind zwar auf 6 Monate begrenzt, aber wir wissen alle, dass es genug Beispiele dafür gibt, wie eine erstmalige Einführung von zeitlich begrenzten Grenzkontrollen in dauerhafte Grenzkontrollen übergehen. Weil immer wieder neue Gründe gefunden werden, um die Grenze angeblich kontrollieren zu müssen. 
Um die Absurdität bei der aktuellen Begründung nochmal zu verdeutlichen: Menschen, die illegal aus Dänemark nach Deutschland einreisen möchten, müssen doch vorher erst durch Deutschland nach Dänemark einreisen. Das ist doch absurd! Rechts und links ist die Nord- bzw. Ostsee und in Finnland gibt es eine hermetisch abgeriegelte Grenze. Die Grenzkontrollen nach Dänemark mit der Begründung Migrationsströme zu begrenzen und illegale Migration einzudämmen ist bundespolitischer Unsinn! 
Und in dem Zusammenhang finde ich es gut, dass die SPD unseren Antrag mit unterstützt, aber dann schnappt euch auch eure Ministerin auf Bundesebene und erklärt ihr, was ihre Politik für Auswirkungen auf die Menschen in unserer Region hat! Das gleiche erwarte ich auch von unseren Ministerpräsidenten Daniel Günther: Lassen Sie sich nicht von der Politik einiger ihrer Parteikollegen mitziehen und übernehmen Sie die Verantwortung für die Anliegen der Menschen hier vor Ort! 
Bei diesem Thema ist Standfestigkeit gefragt. Wir als SSW haben diese jahrelang bewiesen, als wir uns immer wieder gegen die dänischen Grenzkontrollen nach Deutschland eingesetzt haben. Alle Parteien in diesem Landtag haben sich erst vor wenigen Monaten gegen Grenzkontrollen ausgesprochen. Die Lage hat sich seitdem an unserer Grenze nicht verändert, aber der Diskurs hat es. Es ist unsere Aufgabe, die Debatte über Migration wieder in die demokratische Mitte zu holen und sachliche und faktenbasierte Diskussionen über unüberlegten Aktionismus zu stellen. Damit können wir durch Zustimmung zu unserem Antrag heute anfangen.

 

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