Speech · Lars Harms · 26.09.2024 Ein Welcome-Center für Northvolt ist unser kleinstes Problem
„Wir wissen doch noch nicht mal, ob das Welcome-Center, das Ende letzten Jahres die Arbeit aufgenommen hat, funktioniert. Hier braucht es erstmal Zeit zum Arbeiten, dann eine Evaluation und dann können wir schauen, ob wir mehr oder andere Strukturen brauchen.“
Sybilla Nitsch zu TOP 12 - Regionales Welcome-Center für die Westküste einrichten (Drs. 20/2415)
In Zeiten knapper Kassen sollten wir endlich anfangen uns zu fragen, ob es eigentlich richtig sein kann, immer wieder nach neuen öffentlichen Infrastrukturen zu rufen, die finanziert werden müssen, um dann an anderer Stelle Einrichtungen und Angebote kaputt zu sparen, weil kein Geld mehr da ist. Wie dringend brauchen wir eigentlich ein weiteres Welcome-Center für ausländische Fachkräfte? Lassen wir doch das Welcome-Center, das wir in Kiel eingerichtet haben, erstmal richtig losarbeiten, statt schon wieder nach einer weiteren Struktur zu rufen.
Und falls der ein oder andere es vergessen haben sollte: das vorhandene Welcome-Center, das vom Land mit 2,6 Mio. Euro im Jahr gefördert wird, ist ja nicht allein für die Region Kiel da, sondern explizit für ganz Schleswig-Holstein. Zumal wir auch diejenigen nicht aus dem Blick verlieren dürfen, die bei uns schon zugewandert sind und die nun einen Sprachkurs, eine Aus- oder eine Weiterbildung brauchen. Die müssen wir gar nicht mehr anwerben, es braucht nur ausreichend Ressourcen in den vorhandenen Bildungseinrichtungen, um sie zu qualifizieren. Die Berufsschule Heide etwa hat einen massiven Mangel an DaZ-Lehrern, an Auszubildenden wiederum fehlt es nicht. Bevor wir weitere teure Strukturen schaffen, müssen wir dafür Sorge tragen, dass solche Engpässe überwunden werden können. Es kann nicht sein, dass wir keine Fachkräfte ausbilden können, weil uns die Lehrkräfte fehlen, um den jungen Menschen Deutsch beizubringen.
Darüber hinaus ist mir das Northvolt-Argument für ein weiteres Welcome-Center entschieden zu kurz gesprungen.
Northvolt hat bereits deutlich gemacht, dass die Rekrutierung unternehmensintern geleistet werden wird. Zudem errichtet das Land vor Ort ein Projektbüro, das sich auch um die Anwerbung sowie die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften kümmern soll. Warum also sollen wir der Region ein Welcome-Center aufdrängen, für das es keinen Bedarf gibt? Davon ab, dass Northvolt gestern bekannt gegeben hat, 1.600 Stellen in Schweden streichen zu wollen. Mein Gefühl sagt mir, dass wir uns in Geduld fassen müssen, bevor das Unternehmen in Heide überhaupt Arbeitskräfte einstellt. Und dann ist es doch kurzsichtig, zu sagen: Northvolt braucht Arbeitskräfte. Das ganze Land braucht Arbeitskräfte. Vor allem in den kleinen und mittelständischen Unternehmen.
Für diese haben wir als Ansprechpartner vor Ort die Wirtschaftsförderungsgesellschaften, die vielfältigen Strukturen der Regionalen Kooperation Westküste und auch das schon bestehende Welcome-Center in Kiel, das wir seinerzeit explizit beauftragt haben, vor allem auch kleine und mittelständische Unternehmen im ganzen Land zu unterstützen. Wir wissen doch noch nicht mal, ob das Welcome-Center, das Ende letzten Jahres die Arbeit aufgenommen hat, funktioniert. Hier braucht es erstmal Zeit zum Arbeiten, dann eine Evaluation und dann können wir schauen, ob wir mehr oder andere Strukturen brauchen.
Was wir aber vor allem brauchen, sind Ausbildungsmöglichkeiten in der Fläche. Da ist die geplante zunehmende Zentralisierung der Berufsschulen im Übrigen nicht unbedingt förderlich, weil die Auszubildenden dann vom Betrieb durchs halbe Land reisen müssen zur Schule. So befördern wir den Fachkräftemangel, vor allem in den ländlichen Regionen, statt ihn abzumildern.
Und was das Northvolt-Vorhaben betrifft, haben wir ja mehrere Herausforderungen: Northvolt steckt in einer Krise, wir wissen gar nicht, ob und wann die kommen. Wenn sie kommen, graben sie den lokalen Unternehmen in großem Umfang die Fachkräfte ab, weil große Unternehmen besser bezahlen können als Kleine. Ausreichend Wohnraum haben wir auch nicht, um so viele Arbeitskräfte zu beherbergen, mal davon ab, dass vielleicht auch nicht alle in Dithmarschen leben wollen. Wir werden also eine große Zahl an Einpendlern haben. Die wiederum brauchen eine funktionierende Schienen- und Straßeninfrastruktur, um zu uns kommen zu können. Sie sehen, ein eigenes Welcome-Center für Northvolt-Fachkräfte ist wohl unser kleinstes Problem. Insofern erlaube ich mir, den Antrag der SPD als Schnellschuss zu verbuchen, dem wir nicht zustimmen werden.