Speech · Sybilla Nitsch · 20.03.2024 Die Zukunft der Hafeninfrastruktur verspielt

„Die Hafeninfrastruktur soll laut der Fassung „ökologisch“ weiterentwickelt werden, mit u.a. Landstromanlagen oder Gleisanschlüssen. Dieser Ansatz ist an Ironie nicht zu übertreffen, der beste Gleisanschluss nützt nichts und eine Landstromanlage braucht es auch nicht, wenn die Schiffe schlichtweg nicht in den Hafen gelangen oder nicht festmachen können.“

Sybilla Nitsch zu TOP 2+4+ 22+ 34+ 42 - Haushaltsberatungen 2024 (Drs.20/1700)

Ich blicke mit gemischten Gefühlen auf den Einzelplan 06. Viele der Investitionen, die in diesem Haushaltsplan festgelegt sind, sind von großer Bedeutung für unser Land. Viele Projekte und Maßnahmen begrüßen wir als SSW ausdrücklich. Nichtdestotrotz muss ich feststellen, dass dieser Einzelplan im Kern ungenügend ist und es in diesem Zusammenhang schwer sein wird, den derzeitigen Stand der Infrastruktur erhalten zu können. Zu dieser Erkenntnis komme ich später noch einmal zurück. 

Unser Land blickt auf eine Reihe an spürbaren wirtschaftlichen Veränderungen. Diese Entwicklungen zum positiven zu machen, ist unser Auftrag. Zu mindestens ist es das, was ich von Politik erwarte. An der Westküste steht eine große Wirtschaftsansiedelung bevor, an der Ostküste wird es eine engere Verbindung nach Dänemark geben und auch an der deutsch-dänischen Grenze blickt man erwartungsvoll nach Schleswig-Holstein, auch was die Digitalisierung betrifft. Vor diesem Hintergrund haben wir als SSW Haushaltsanträge, die eine positive Entwicklung in dieser Hinsicht stärken sollen. Da wäre zum einen die Mitfinanzierung der Buslinie 110, welche Flensburg mit dem benachbarten Sønderborg verbindet. Die grenzüberschreitende Linie wird gut genutzt, Auslastung und Takt könnten aber sehr viel besser sein, wenn sie auskömmlich und vor allem auch gerecht finanziert würde.  An dieser Stelle sei nochmal angemerkt, dass es nicht nur wichtig ist, die Verbindungen nach København und anderen Großstädten auszubauen, sondern eben auch die kleineren Metropolen vor der eigenen Haustür mit anzubinden. 

Woran man auch denken darf, ist das Standortmarketing. Was den Tourismus betrifft, so läuft es richtig gut bei uns. Das machen die aktuellen Zahlen zu den Übernachtungen noch einmal deutlich. Wir als SSW sind der Meinung, dass man hier aber ruhig noch mehr machen darf. Andere Bundesländer haben nachgelegt und wenn wir Schleswig-Holstein weiterhin als Tourismusstandort erfolgreich vermarkten wollen, dann dürfen wir nicht die Politik der ruhigen Hand betreiben. Zudem der Hinweis, dass Standortmarketing grundsätzlich nicht nur auf den Tourismus bezogen sein muss, sondern alle Teile der Wirtschaft sollten dies für sich nutzen. 

Wo Menschen Urlaub machen, da lassen sie sich nieder. So lautet zu mindestens die Erkenntnis bei unseren Nachbarn in Süddänemark. Wer bei uns Urlaub macht, könnte daher auch an einem Praktikum bei uns im schönen Schleswig-Holstein interessiert sein. Das Problem ist nur: Wo die entsprechenden Informationen dazu hernehmen? Meine Fraktion hat dazu einen Vorschlag eingebracht, mit dem Ziel die Errichtung einer landesweit einheitlichen Online-Praktikumsbörse unter der Schirmherrschaft des Landes zu etablieren. Zudem wäre ein solches Portal ebenfalls eine, wie ich finde, schöne Ergänzung für unser Standortmarketing.

Apropos Standort. Wir in Schleswig-Holstein sind wohl das Bundesland, welches über einen recht kurzen Weg zum Wasser verfügt. Wichtig wäre dabei, diesen Weg auch für die Wirtschaft entsprechend vorzuhalten, wo wir bei der Hafeninfrastruktur wären. Hier muss ich leider feststellen, dass die dazugehörigen Investitionen in die Häfen unseres Landes im Einzelplan fehlen. Dabei muss man eben auch auf das Kleingedruckte gucken, schließlich handelt es sich, sofern Mittel beziffert sind, oftmals um Bundesmittel, die durchgereicht werden. Zudem sei angemerkt, dass Sie verehrte Koalitionskollegen ein Vermittlungsproblem bekommen werden. Sie haben die Chance verpasst mit dem Sondervermögen Schlickmittel, erhebliche Summen Investitionsmittel auf 10 Jahre für z.B. die landeseigenen Häfen freizumachen. Sie haben ein deutliches Votum gesendet, damit befürworten Sie den Entwurf der Landesregierung. Die Hafeninfrastruktur soll laut der Fassung „ökologisch“ weiterentwickelt werden, mit u.a. Landstromanlagen oder Gleisanschlüssen. Dieser Ansatz ist an Ironie nicht zu übertreffen, der beste Gleisanschluss nützt nichts und eine Landstromanlage braucht es auch nicht, wenn die Schiffe schlichtweg nicht in den Hafen gelangen oder nicht festmachen können. Es ist mir unbegreiflich und ich bin gespannt auf Ihre kreative Kommunikation, wenn die Westküstenkollegen bei der nächsten Gelegenheit die Wirtschaftsverbände an der Westküste treffen. Die Zukunft der Hafeninfrastruktur haben Sie verspielt. 

An eine verspielte Zukunft mag man auch mit Blick auf die Landesstraßen denken. Im Haushaltsentwurf soll hier gekürzt werden. Angesetzt sind 12 Millionen weniger für die Unterhaltung des Straßennetzes. Darüber hinaus soll der Betriebskostenzuschuss für den Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr ab dem Jahr 2024 um 3 Millionen Euro sinken. Und auch im Bereich Radverkehr soll gekürzt werden. Um zu erkennen, dass das keine gute Entwicklung ist, muss man den Einzelplan noch nicht einmal auswendig lernen. Das tägliche Leben bei uns an der Küste reicht dazu bereits aus. Erst vor wenigen Wochen war ich auf einer wunderschönen Nordseeinsel in meinem Wahlkreis unterwegs. Das dringendste Anliegen, was dort an mich herangetragen wurde, war der Zustand der Landesstraßen, sowohl auf der Insel als auch auf dem naheliegenden Festland. Eine bequeme Anreise der vielen Sommer-Gäste ist derzeit jedenfalls nicht gegeben. Für den Tourismus durchaus eine ernste Angelegenheit.  
Der Zustand der Verkehrsinfrastruktur wird sich durch die hier vorgelegten Pläne wohl kaum erholen können. Im Gegenteil, der Zustand der Straßen verschlechtert sich massiv und die Gefährdungslage erhöht das enorm, egal ob Radweg oder Straße. Den hier vorgelegten Kürzungen werden wir vor diesem Hintergrund nicht unterstützen. 

Unsere Infrastruktur verdient eine verlässliche Zuwendung. Nur wenn dafür Sorge getragen wird, dass die Mittel stabil bleiben, kann das Bestehende erhalten werden. Das bedeutet für uns als SSW-Fraktion auch ein Stück Lebensqualität. Alles in allem bleibt für uns die Feststellung, dass der Einzelplan in seiner jetzigen Form für uns nicht zustimmungsfähig ist. 

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