Speech · Jette Waldinger-Thiering · 22.02.2024 Die Strukturfonds können die EU sichtbar machen

„Es sind nicht nur die großen Aufgaben, die die EU ausmachen. Für die Menschen in Europa wird die EU so kaum greifbar. Greifbar wird sie da, wo sie vor Ort wirkt. Durch die Strukturfondsprogramme. Da wo die EU im ländlichen Raum neue Infrastruktur im Rahmen der EFRE-Programme ermöglicht, die ohne diese Förderung nicht möglich wäre, da, wo sie Unterstützung für Menschen im Rahmen der ESF-Programme bietet und da, wo sie Menschen über Grenzen im Rahmen von Interreg zusammenbringt.“ 

Jette Waldinger-Thiering zu TOP 23 - Regionalpolitik der EU: Zusammenhalt stärken, ländliche Räume zukunftsfest machen (Drs. 20/1870)

Die finanziellen Spielräume von Kommunen, Landes- und Bundesregierungen, aber auch der Europäischen Union werden vor dem Hintergrund zunehmender Krisen immer kleiner. Flüchtlingsströme, Naturkatastrophen, die Pandemie, der Krieg in der Ukraine, alles das kostet unmittelbar, aber auch mittelbar, viel Geld. Geld, das dann an anderer Stelle fehlt. Es ist insofern richtig, den aktuellen EU-Finanzrahmen anzupassen, damit die EU in der Haushaltsperiode bis 2027 handlungsfähig bleibt. 
Schon jetzt ist absehbar, dass die EU für den kommenden Finanzrahmen ab 2027 kaum mit den zur Verfügung stehenden Mitteln auskommen wird. Mittel werden umverteilt, einiges wird gekürzt werden müssen, um an anderen Stellen aufzustocken. Dabei gibt es eine Tendenz dazu, die vermeintlich großen Aufgaben finanziell besser zu stellen als diejenigen, die weniger bedeutsam wirken. Die Verteidigungspolitik, die Klimakrise, der Krieg und hoffentlich absehbar Wiederaufbau der Ukraine, all das kostet enorme Summen. Und doch sind es nicht nur die großen Aufgaben, die die EU ausmachen. Für die Menschen in Europa wird die EU so kaum greifbar. Greifbar wird sie da, wo sie vor Ort wirkt. Durch die Strukturfondsprogramme. Da wo die EU im ländlichen Raum neue Infrastruktur im Rahmen der EFRE-Programme ermöglicht, die ohne diese Förderung nicht möglich wäre, da, wo sie Unterstützung für Menschen im Rahmen der ESF-Programme bietet und da, wo sie Menschen über Grenzen im Rahmen von Interreg zusammenbringt. 
Ohne diese Förderung erreicht die EU die Menschen nicht und vor allem, hängen wir Regionen ab. Regionen, die eine Perspektive brauchen für die Zukunft. Die eine ausreichende Infrastruktur brauchen, in denen Mobilitätsangebote fehlen. Infrastruktur, die kleine Gemeinden nicht allein finanzieren können, für die sie auf Unterstützung angewiesen sind. Diese Strukturfondsförderung darf nicht ins Hintertreffen geraten vor dem Hintergrund der großen Herausforderungen. Auch viele kleine, lokale Herausforderungen sind insgesamt groß. Es geht um die Zukunftsfähigkeit der ländlichen Räume in Europa. Vergessen wir diese, entfernen sich die Bürgerinnen und Bürger von der Politik, der nationalen, aber auch der europäischen. Darin liegt eine unsere großen Zukunftsaufgaben: die Menschen mitnehmen, den Menschen zeigen, was politisches Handeln zu ihren Gunsten bewirken kann. Damit sie sich nicht enttäuscht abwenden. 
Hier muss aber auch das Land Schleswig-Holstein mit gutem Beispiel vorangehen. Die Strukturfondsförderung lebt von den Akteuren vor Ort. Wenn das Land Schleswig-Holstein die Zusammenarbeit in der Nordsee-Kommission kündigt, wirft das kein gutes Bild auf unseren Einsatz für die europäische Zusammenarbeit. Diese Zusammenarbeit mit unseren Partnerländern rund um die Nordsee ist wichtig. Und wenn dort Inhalte und konkrete Projekte fehlen, muss das Land Schleswig-Holstein einen inhaltlichen Beitrag leisten, statt sich auf leisen Sohlen zurückzuziehen. Das gleiche gilt für die Zusammenarbeit mit den Regionen Friesland, Groningen und Twente, die nur noch auf dem Papier existiert. Solche Kooperationen sind es, die wir brauchen in Europa, mit unseren Nachbarn, in den Regionen, über Grenzen hinweg. Hier muss das Land Schleswig-Holstein zeigen, dass die Zusammenarbeit auch gewollt ist. Und zwar aktiv, mit eigenen konstruktiven Beiträgen. 
Die Stärkung der ländlichen Räume in Europa braucht ein ausreichendes Budget, sie braucht aber auch Akteure, die sich einbringen. Und hier sollte die Landesregierung sich selbstkritisch fragen, ob sie das, etwa bei der Nordsee-Kooperation, tatsächlich in ausreichendem Maße tut. Wenn die Strukturfonds von Regierungen, Kommunen und Zivilgesellschaften getragen werden, können sie viel Gutes bewirken. Vor allem können Sie die EU sichtbar machen und Erfolgsgeschichten erzählen. Das ist von unschätzbarem Wert für den Zusammenhalt Europas. Darum ist es wichtig, dass im Europäischen Finanzrahmen ab 2027 ausreichend Mittel für die Kohäsionspolitik zur Verfügung stehen. Hierfür müssen Land und Bund sich gemeinsam einsetzen.

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