Rede · Lars Harms · 19.07.2024 Verfassungsschutzbericht 2023: Die größte Gefahr geht vom Rechtsextremismus aus

„Auf Worte folgen Taten. Sprache ist wichtig. Es geht um Framing, um Deutungshoheit und Themensetzen sowie letztlich auch um Beeinflussung. Die Mitte der Gesellschaft wird zunehmend empfänglich für extremistische und demokratiefeindliche Positionen.“

Lars Harms zu TOP 40 - Verfassungsschutzbericht 2023 (Drs. 20/2200)

Wir debattieren heute den Verfassungsschutzbericht des Jahres 2023 und tun dies bereits etwa einen Monat nach seinem Erscheinen. Ich betone das so, weil ich es loben und hervorheben möchte, dass diese Debatte in der Öffentlichkeit engagiert stattfindet, so wie es ein einer parlamentarischen Demokratie sein sollte. Der Schutz unserer Verfassung, also der Schutz unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung und das Vorgehen derer, die aktiv gegen sie arbeiten, wird bei uns in Schleswig-Holstein in einem für alle offenen Parlament transparent diskutiert. 
Insgesamt ist es so, dass die Zahlen der politisch motivierten Straf- und Gewalttaten im Vergleich zu den Vorjahren angestiegen sind. Wir liegen 2023 bei 1.735 Straftaten der politisch motivierten Kriminalität insgesamt. Also einem Anstieg um 413 Fälle. Die Zahl der erfassten Gewaltdelikte ist um 35 auf insgesamt 137 Fälle gestiegen. Dabei fällt auf, dass die mit Abstand meisten Fälle dem Phänomenbereich rechts zugeordnet werden. Von den 1.735 Straftaten wurden 975 von Rechten begannen. Von den 137 Gewaltdelikten wurden 81 von Rechten begannen. Zwischen 2022 und 2023 ist die Anzahl rechtsextremistischer Straftaten in Schleswig-Holstein um 40 Prozent angestiegen. In 460 von 975 Fällen, also fast der Hälfte der Fälle, ist eine fremdenfeindliche Motivation angenommen worden. Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit sind die Motive für diese Taten. Und es ist wie so oft: solche Zahlen erschrecken uns. Aber sie verwundern uns nicht mehr. 
Auf Worte folgen Taten. Sprache ist wichtig. Es geht um Framing, um Deutungshoheit und Themensetzen sowie letztlich auch um Beeinflussung. Die Mitte der Gesellschaft wird zunehmend empfänglich für extremistische und demokratiefeindliche Positionen. Und wir wissen, was am Ende dieser Kette steht: Lichtenhagen, Solingen, Mölln, Hoyerswerda, NSU, Halle, Hanau. Neonazis und Faschisten morden aus Rassismus und Menschenhass. An keiner Stelle darf dürfen wir das verwässern. 
Meine Damen und Herren, die größte Gefahr für die Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein geht vom Rechtsextremismus aus. 
In Schleswig-Holstein ist das Personenpotenzial im Phänomenbereich Islamismus innerhalb des Beobachtungszeitraums von 868 auf 820 Anhänger leicht zurückgegangen. Dieser Rückgang basiert insbesondere auf einem Rückgang im Personenpotenzial des Salafismus, der zwar weiterhin eine anhaltende Anziehungskraft entfaltet, aber an Dynamik verloren hat, so die Einordnung im Verfassungsschutzbericht. Eigentlich erstmal gute Nachrichten. Aber seitdem ist viel passiert. Die Innenministerin hat es auch in ihrer Pressekonferenz deutlich gemacht, die islamistische Szene versucht die Israel-Palästina-Demonstrationen und Debatten zu nutzen, um dort Stimmung zu machen und Menschen für sich zu gewinnen. Dabei wird die verheerende Lage im Gaza-Streifen nahezu instrumentalisiert für klare Freund-Feind-Bilder, die die HAMAS als Freiheitskämpfer verherrlichen und wirklich sehr merkwürdige Schulterschlüsse zwischen linken Antiimperialisten und terroraffinen Islamisten entstehen lässt. Wir müssen hier aufmerksam bleiben. Denn für fast alle Phänomenbereiche gilt, dass Extremistinnen und Extremisten versuchen, Krisensituationen für sich zu nutzen.  
Die abstrakte Gefahr, die von islamistischem Terrorismus ausgeht, bleibt hoch.  
Ich möchte gerne noch einmal auf etwas eingehen, was zwar so nicht Teil des Berichtes war, aber was ich sozusagen als Gegenstück gerne hervorheben würde. Denn bei allem, was wir mit Sorge und manchmal auch mit Angst betrachten, hat mich ein Ereignis trotz allem sehr viel Freude empfinden lassen. Und zwar die Einweihung der jüdischen Synagoge in Kiel. Die Eröffnung hat unter Polizeischutz und unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen stattfinden müssen. Aber sie hat mit einem Festakt stattgefunden und erstmals seit 1938 der Stadt Kiel eine Synagoge zurückgegeben. Auch das lohnt es sich zu betonen. 
Ein Bereich, mit dem wir uns aus Sicht des SSW in Schleswig-Holstein intensiver auch parlamentarisch beschäftigen werden müssen, ist der der Cybersicherheit. Es gab auch im zurückliegenden Jahr laut Verfassungsschutz wieder Hinweise auf Verdachtsfälle von Wirtschaftsspionage und -sabotage durch Cyberangriffe auf Unternehmen, Behörden und Bildungseinrichtungen aus Schleswig-Holstein. So etwa ein Überlastungsangriff auf das Landesportal Schleswig-Holstein, der im April 2023 dafür sorgte, dass die Internetpräsenz aufgrund einer Überlastung der Server eine Zeit lang nicht mehr erreichbar war. Besonders brenzlig wird es aber dann, wenn es Unternehmen der kritischen Infrastruktur betrifft. Wir als SSW haben mit unserem "Bericht über die Cybersicherheit unserer Infrastruktur", den wir von der Landesregierung im März 2023 erbeten haben, bereits versucht, etwas mehr Fokus auf das Thema zu setzen. Es steht noch eine mündliche Anhörung an und ich denke, wir sollten hier engagiert bei der Sache bleiben.

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