Speech · Lars Harms · 18.07.2024 Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist viel zu wichtig für populistische Debatten

„Die KEF ermittelt den Finanzbedarf, dessen Steigerung übrigens unter der Inflationsrate liegt.“

Lars Harms zu TOP 25 - Keine Gebührenerhöhung ohne eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (Drs 20/2326)

Um eines vorwegzuschicken: Reformen sind immer angezeigt. Wenn Systeme, Verwaltungen und Organisationen nicht permanent lernen und sich an die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer anpassen, neigen sie zu einem gewissen Eigenleben und jeder Menge Starrsinn. Die öffentlich-rechtlichen Sender haben das erkannt, wenn auch nach meinem Dafürhalten, sehr zögerlich; und setzen jetzt, zusammen mit der Medienpolitik der Bundesländer, Reformen in Gang. Die Richtung ist klar: mehr digitale Angebote, Aufgabe von Doppelstrukturen beispielweise durch Arbeitsteilung bei Live-Übertragungen und eine starke Vernetzung der Mediatheken zu einem gemeinsamen Streaming-Netzwerk.
Die unterschwellige Annahme des Antrages, als ob die Sender erst einmal zu Reformen aufgefordert werden müssen, ist also falsch; das gilt ebenso für den Unterpunkte, nachdem die Informationsangebote voreingenommen, unsachlich oder inkompetent wären. Tatsächlich passieren in den Redaktionen Fehler. Die Gremien wirken darauf hin, dass die Fehler eingeräumt werden und bessere Strukturen etabliert werden. Eine Struktur, die man im Übrigen bei privaten Medien so vergeblich sucht!
Die sogenannte Gebühren-Debatte hat in den letzten Monaten eine richtige Konjunktur erlebt. Der Rundfunkbeitrag finanziert die ARD mit 12,78 Euro, das ZDF mit 4,69 Euro, das Deutschlandradio mit 54 Cent und schließlich die Landesmedienanstalten mit 35 Cent. Das macht 18,36 Euro. Die KEF ermittelt den Finanzbedarf, dessen Steigerung übrigens unter der Inflationsrate liegt; und die Ministerpräsidenten und danach die Länderparlamente entscheiden. Dieses Verfahren wird derzeit von konservativer Seite sehr unter Beschuss genommen. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haseloff kritisiert in diesem Zusammenhang immer wieder den Vertrauensverlust gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, den er allerdings mit seiner Weigerung, den Beitragsprozess umzusetzen, selbst befördert. Inzwischen droht die inhaltlich-sachliche Debatte in diesem Dauerfeuer fast unterzugehen. 
Es können tatsächlich viele Punkte besser gemacht werden: Immer noch sind alle nicht-deutschen Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender mit der Lupe zu suchen, oder werden online regelrecht versteckt. Dänisch, Friesisch, Gebärdensprache oder Niederdeutsch sind zwar Teil des Auftrags, weil schließlich viele Beitragszahler und -zahlerinnen die genannten Sprachen sprechen, aber führen immer noch ein Schatten-Dasein. Neue technische Möglichkeiten sollen das verbessern. Aber ich bin davon überzeugt, dass wir schon viel weiter sein könnten. Auch die Hintergrundinformationen zu den Minderheiten gehören zum Kern-Auftrag der Sender. Ein paar Stimmungsbilder von der Biike reichen da nicht aus. Hier muss die Kompetenz in Sachen Minderheit von den Sendern ausgebaut werden.
Die Regionalität ist so ein anderes Thema. Mit dem Rückzug der Tageszeitungen aus der Fläche, müssten die öffentlich-rechtlichen Angebote in diese Lücke reingehen. Dass sie das nicht überall tun, muss sich schleunigst ändern. Die Menschen wollen gut recherchierte Beiträge, die die Strukturen vor Ort zeigen. Und das in einer verständlichen Sprache.  
Zum Schluss noch zum Sport. Deren Funktionäre, allen voran die FIFA und die UEFA, haben die Übertragungsrechte regelrecht in die Höhe getrieben; die Rechte zur EM haben die Milliarden-Grenze überschritten – und dieser Trend ist ungebrochen. Magenta TV hat Sublizenzen an ARD und ZDF vergeben. Das ZDF hat das genutzt, und in der Halbzeitpause direkt ins heute-Studio umgeschaltet. Gerade angesichts der regelrechten Flucht vor den Nachrichten, bekam das Publikum gute Infos frei Haus. Ich finde, dass sich diese Investition gelohnt hat.
Zum Abschluss möchte ich darauf hinweisen, dass der Antrag die Gremien außen vorlässt. Dabei denke ich, dass der RBB-Skandal gezeigt hat, welche zentrale Rolle den Rundfunkräten zukommen. Das Land Schleswig-Holstein schickt ja nicht gerade zufällig ein Mitglied aus dem Bereich der Minderheiten und Regionalsprachen in den ZDF-Fernsehrat. Die Arbeit dieser Publikumsräte muss transparenter werden und für die Öffentlichkeit zugänglich. Dass der NDR die Sitzungen jetzt streamt, gehört mit zu den Reformen, die ich bereits angesprochen habe.

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