Speech · Sybilla Nitsch · 25.01.2024 Der dünnste Strategiebericht der Geschichte

„Wir erfahren auf nur sieben Seiten und in groben Zügen, wie Schleswig-Holstein bis zum Jahr 2040 das erste klimaneutrale Industrieland werden soll, allerdings geben die Inhalte erschreckend wenig Aufschluss darüber, wie das gelingen soll.“

Sybilla Nitsch zu TOP 43 - Strategiebericht „Klimaneutrales Industrieland“ (Drs. 20/1676)

Zugegeben, es ist nicht immer einfach in die Zukunft zu blicken, sie vorherzusagen, geschweige denn, sie im Detail zu gestalten. So ist es denn auch mit dem vorliegenden Strategiebericht „Klimaneutrales Industrieland“ der Landesregierung. In der Kürze liegt die Würze, so ließe sich der Bericht gut beschreiben. Selbst sagt er aus, es „werden die aktuelle Ausgangslage und grundsätzliche Strategien zur Erreichung des Ziels grob skizziert.“ Und das trifft es. 
Wir erfahren auf nur sieben Seiten und in groben Zügen, wie Schleswig-Holstein bis zum Jahr 2040 das erste klimaneutrale Industrieland werden soll, allerdings geben die Inhalte erschreckend wenig Aufschluss darüber, wie das gelingen soll. 
Als zentrales Projekt und Meilenstein zur Erreichung der Klimaneutralität wird das Klimaschutzprogramm 2030 im Bericht beworben. Nach Beendigung des Beteiligungsverfahrens und bis Ende 2024 soll das Klimaschutzprogramm final verabschiedet werden. Leider schweigt sich der Bericht darüber aus, wer in dem Verfahren beteiligt ist. 
Auf der entsprechenden Internetplattform der Landesregierung ist zu lesen, dass es ein öffentliches Konsultationsverfahren mit Expertenworkshops und Bürgerrat sein soll. Auch dort ist der Informationsgewinn also eher gering. 
Laut Bericht werden im Klimaschutzprogramm die notwendigen Maßnahmen von EU, Bund und Land beschrieben, welche das sein sollen, auch darüber erfahren wir bisher leider nichts. Die Maßnahmenfahrpläne der Landesregierung, der jeweiligen Ministerien, sind online einsehbar. Die Ministerien beschreiben dort ihre vorgesehenen Einsparziele. 
Insgesamt können wir Ende 2024 gespannt sein, wie das Klimaschutzprogramm 2030 aussehen wird und welche Ziele und Maßnahmen angestrebt werden. 
Nun aber wieder zurück zum Bericht. Beachtenswert ist die beschriebene Entwicklung der Erneuerbaren Energien. Im letzten Jahr hatten wir rund 19 TWh Strom aus Erneuerbaren Energien an Land und 7 TWh aus Wind Offshore – also insgesamt 26 TWh. 
Bis 2045 sollen laut Klimaneutralitätsnetzt über 120 TWh aus Erneuerbaren erzeugt und angelandet werden – also das Vierfache. Richtig ist, unser Stromverbrauch wird bis dahin enorm steigen und wir müssen diesen Energie-Hunger stillen können. Die Landesregierung schweigt sich aber aus, wie sie diesen gewaltigen Zuwachs stemmen will. Sollen, wie es bereits im Gespräch ist, die Abstandsregeln für Windkraftanlagen komplett gekippt werden und auf wieviel Prozent der Landesfläche soll der weitere Ausbau stattfinden? Im Bericht steht dazu leider nichts.
Da es im Bericht auch um die Transformation der energieintensiven Industrie geht, ist die Frage, welche Strategie die Landesregierung verfolgt, um dem Prozess der Dekarbonisierung voranzubringen. Hier werden drei Ziele genannt: 
1. Einsatz beim Bund für geeignete Rahmenbedingungen für die nachhaltige Transformation der Industrie, 
2. Förderung von Leuchtturmprojekten und 
3. Dialog mit den Industrieunternehmen, um auf Landesebene die bestehenden Rahmenbedingungen zu verbessern. 
Der große Wurf ist das nicht. An den drei Punkten ist jetzt nichts Besonderes, nennen wir es gewöhnliches politisches Verhandeln.
Mir fehlt die Definition für Industrie, was zählen Sie dazu?
Wir bekommen keine Angaben zu den Leuchtturmprojekten. Welche sind das, wie ist die Zeitplanung oder in welchen Regionen liegen die Schwerpunkte? Wie werden bereits ansässige Unternehmen in die Strategie eingebunden? Zu all dem, Schweigen im Walde.
Wir bekommen auch keine Antwort auf die Frage, wie unsere kleinteilige und dezentrale Wirtschaft – beispielsweise als Zulieferer – in die Strategie eingebunden werden soll.
Wie sollen wir als Landespolitik dazu beitragen die lokalen Infrastrukturen zu stärken oder die bestehenden Wertschöpfungsketten auszubauen, wenn die Strategie des Landes nichts dazu sagt!?
Abschließend möchte ich auf das Maßnahmenpaket der „Grünen Wasserstoffstrategie“ als Schlüssel zur Dekarbonisierung eingehen. Grüner Wasserstoff zur Verdrängung der fossilen Brennstoffe ist der richtige Weg. Den unterstützen wir vom SSW in vollem Umfang.
Doch was verbirgt sich wirklich hinter der Infrastruktur-Initiative und welche Import-Partnerschaften sind gemeint. Wo der Strategiebericht sich ausschweigt, wird die Fortschreibung der Wasserstoffstrategie deutlich, denn dort wird deutlich gesagt, dass die Nutzung von blauem Wasserstoff möglich sein soll und dass dies in erster Linie über Wasserstoffderivate geschehen soll. Wo es dann auch einer entsprechenden Infrastruktur in Hafennähe bedarf. 
Dieser Strategiebericht ist so dünn, dass es einer weiteren Behandlung im Ausschuss eigentlich nicht bedarf.

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