Speech · Christian Dirschauer · 13.12.2024 Der Blindenverband fühlt sich verhöhnt!

„Ein erhöhtes Blinden- und ein Gehörlosengeld ist nicht irgendein Luxus, den man mit der Begründung knapper Kassen vom Tisch wischen kann. Sondern ein essenzieller Beitrag für eine inklusive Gesellschaft“

 


Presseinformation

Kiel, den 13.12.2024

Es gilt das gesprochene Wort


Christian Dirschauer zu TOP 23 - Erhöhung des Landesblindengeldes (Drs. 20/2732(neu))

 

Ich bin nicht abergläubisch, so dass eigentlich auch dieser Freitag der 13. leidenschaftslos an mir vorübergehen könnte. Leider ist das diesmal aber anders. Denn das, was uns die Landesregierung hier in Sachen Blindengeld als gönnerhafte Geste und großen Erfolg in Zeiten knapper Kassen verkaufen will, kann man durchaus als vergiftetes Geschenk bezeichnen. Natürlich hört sich eine pauschale Erhöhung um 25 Euro erstmal gut an. Oder zumindest besser als nichts. Aber der Blindenverband selbst fühlt sich durch diesen Schritt verhöhnt. Und dass aus guten Gründen wie ich finde. Denn wenn wir ehrlich sind und etwas länger zurückblicken, dann taugen diese 25 Euro nicht mal als Inflationsausgleich. Das Blindengeld ist schließlich seit 12 Jahren unverändert. Wenn ich mir dazu dann noch die Aussagen der Koalitionäre hierzu vor Augen führe, steht zu befürchten, dass man sich nun gegenseitig auf die Schulter klopft und das Thema für erledigt erklärt.

So gesehen ist dieser Freitag der 13. also wirklich eher ein Unglückstag für die blinden und sehbehinderten Menschen im Land. Denn der Schritt der Koalition reicht bei weitem nicht aus, um die berechtigten Bedarfe der Betroffenen zu decken. Das ist doppelt bitter, wenn man bedenkt, dass CDU und Grüne nicht mal die verfügbaren Mittel innerhalb dieses Haushaltstitels ausschöpfen. Von den rund 2,5 Millionen Euro, die hier verfügbar wären, werden ja bekanntlich nur 870.000 Euro genutzt. Damit bleibt die Koalition ohne Not hinter ihren Möglichkeiten zurück. Und damit ist klar, dass Schleswig-Holstein bis auf weiteres Schlusslicht unter allen Bundesländern bleibt. Wir können also festhalten, dass Blinde und Sehbehinderte in Schleswig-Holstein gegenüber Betroffenen in anderen Bundesländern benachteiligt sind. Und wir können davon ausgehen, dass das auf absehbare Zeit auch so bleibt. 
Nur zur Einordnung: Diese geringfügige Erhöhung des Blindengeldes hat die Koalition ja nicht etwa aus freien Stücken, sondern vielmehr als Antwort auf unseren Antrag von Ende November beschlossen. In den Antworten auf entsprechende Haushaltsfragen wurde noch kurz zuvor auf laufende Verhandlungen und Wahlperioden verwiesen. Gleichzeitig muss erwähnt werden, dass seit über 2 Jahren ein Antrag meiner Fraktion auf Erhöhung des Blindengelds zumindest mal auf das Durchschnittsniveau aller Bundesländer vorliegt. Doch weder hierzu noch zur damit von uns verknüpften Forderung nach einem Gehörlosengeld hat sich die Koalition bis heute konkret verhalten. Wenn ich mir den aktuellen Alternativantrag anschaue, befürchte ich, dass sich das aus Sicht von CDU und Grünen nun beides erledigt hat. Nach dem Motto: Wir liefern doch. Und für den Rest setzen wir uns für eine Lösung auf Bundesebene ein.

Ich will mir ganz sicher nicht anmaßen, auch nur ansatzweise zu wissen, was es bedeutet, gehörlos, blind oder stark sehbeeinträchtigt zu sein. Und auch ich kann nicht bemessen, was genau es braucht, um die behinderungsbedingten Nachteile dieser Menschen auszugleichen. Aber ich tausche mich regelmäßig mit ihnen aus. Und ich kann aus voller Überzeugung sagen, dass ich ihre Argumente für absolut nachvollziehbar halte. Wer blind oder gehörlos ist, hat nachweislich Mehrkosten, die auf die jeweilige Behinderung zurückzuführen sind. Es fallen zum Beispiel erhöhte Strom-, Internet oder Versicherungskosten an; oder Zusatzausgaben für GebärdendolmetscherInnen. Zwar führt Geld allein nicht in die inklusive Gesellschaft, die wir uns wünschen. Aber in manchen Fällen macht eine finanzielle Unterstützung eben doch einen Unterschied. Und weil gesellschaftliche Teilhabe leider in viele Fällen von den finanziellen Ressourcen der Betroffenen abhängt, fordern wir hier einen Nachteilsausgleich.

Man kann es sich in dieser Frage einfach machen und auf den Bund verweisen. Schließlich war dort ein Teilhabegeld im Gespräch, das auch auf weitere Gruppen mit Beeinträchtigung zielt. Aber diese Pläne wurden längst kassiert. Und es spricht wenig dafür, dass diese Leistung auf absehbare Zeit noch kommen wird. Wenn sich das Land in dieser Angelegenheit also nicht weiter bewegt, dann sind die rund 2.900 Blinden und Sehbehinderten und die über 1.700 Gehörlosen die Gelackmeierten. Sie können sich dann im Zweifel nicht im Verein, in einer Partei oder in einem Ehrenamt engagieren oder an kulturellen Angeboten teilnehmen oder sich weiterbilden. Aus Sicht des SSW müssen aber genau diese Dinge für alle Menschen in Schleswig-Holstein möglich sein. Auch für jene, die blind, sehbehindert oder taub und damit kommunikationsbeeinträchtigt sind. Und deshalb bleiben wir dabei: Ein adäquates Blinden- und Gehörlosengeld sind nicht irgendein Luxus, den man mit der Begründung knapper Kassen vom Tisch wischen kann. Sondern sie sind ein essenzieller Beitrag für eine inklusive Gesellschaft. 
 

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