Press release · 07.09.2021 SSW-Ratsfraktion Kiel: Die Andreas-Gayk-Medaille ist keine Auszeichnung mehr
Die SSW-Ratsfraktion beantragt für die kommende Ratsversammlung, dass die Andreas-Gayk-Medaille nach dem 17.09.2021 nicht mehr verliehen wird. Indem die großen Fraktionen die Auszeichnung von der Einmütigkeit der demokratischen Fraktionen entkoppelt haben und stattdessen parteipolitische Interessen zur Richtschnur ihres Handelns machten, haben sie die Andreas-Gayk-Medaille ihrer Würde beraubt. Dazu erklärt der SSW-Fraktionsvorsitzende Ratsherr Marcel Schmidt:
„Das ist keine schöne Angelegenheit. Die ‚Verleihung‘ der Andreas-Gayk-Medaille am 17.09.2021 und vor allem ihre Vorgeschichte sind der vorläufige Tiefpunkt von allem, was ich in über acht Jahren als Mitglied der Kieler Ratsversammlung erlebt habe. Nach der Ehrenbürgerwürde galt die Andreas-Gayk-Medaille als zweithöchste Auszeichnung der Landeshauptstadt Kiel. Sie wurde in der Vergangenheit auf Vorschlag von Bürger*innen, des Stadtpräsidenten oder der Fraktionen mit Beschluss der Ratsversammlung verliehen. Dabei war es selbstverständlich, dass bei den demokratischen Fraktionen Einigkeit vorhanden war.
Im Jahre 2020 war das anders. Eine Einigung in der Frage, wem die Andreas-Gayk-Medaille verliehen werden sollte, gestaltete sich schwierig. So begab es sich, dass vier Fraktionen unter konspirativen Umständen die Vereinbarung trafen, sich gegenseitig eine Medaille umzuhängen. In der öffentlichen Niederschrift der Ratsversammlung vom 20.08.2020 sind vier Fraktionen – SPD, CDU, Grüne und FDP – als Antragsteller aufgelistet für vier Kandidat*innen. Auch nach mehrfach geäußerter Kritik hielten die vier Fraktionen an ihrem Vorgehen fest und haben damit das Prinzip der Einigkeit der demokratischen Fraktionen als einen Grundpfeiler der Auszeichnung dauerhaft ad acta gelegt. Die SSW-Ratsfraktion hatte die Ratssitzung vor der Abstimmung über die Verleihung der Andreas-Gayk-Medaille aus Protest verlassen.
Es ist interessant, dass auf der Webseite der Kieler SPD, in der ‚Geschichtswerkstatt‘ ein Artikel zur Andreas-Gayk-Medaille nachzulesen ist. In dem Artikel wird darauf hingewiesen, dass die Jusos Anfang der 70er Jahre gegen die Auszeichnung waren. Laut SPD-Geschichtswerkstatt schrieb ein pessimistischer Bürger damals: ‚Man wird die Medaillen in einem bestimmten Kreis verteilen, sie sich gegenseitig umhängen, einmal nach links, einmal nach rechts.‘ Dieser Fall ist nun eingetreten.
SPD, CDU, Grüne und FPD haben die Verleihung der Andreas-Gayk-Medaille durch diesen Präzedenzfall zu einer Frage von Parteibedürfnissen degradiert. Sie ist nicht länger das Manifest einer überparteilichen Einhelligkeit. Es ist tragisch, wie diese traditionsreiche Auszeichnung zu einer Währung für politische Kuhhandel degradiert wurde. Ebenso tragisch ist es, dass dieser würdelose Vorgang auch die Verleihung der Andreas-Gayk-Medaille am 17.09.2021 beschädigt. Der Zeitpunkt der Verleihung, kurz vor der Bundestagswahl, lässt darüber hinaus befürchteten, dass diese Verleihung als Wahlwerbung instrumentalisiert werden soll.
Um es deutlich zu sagen: Es geht der SSW-Fraktion nicht darum, ebenfalls eine Andreas-Gayk-Medaille ‚auszuhandeln‘. Uns empört der ehrlose Umgang mit der Auszeichnung, die auf dem Basar der Parteien konspirativ verhandelt wurde. Wir müssen in der Kieler Kommunalpolitik davon wegkommen, dass das Gezerre um Auszeichnungen, Positionen und Funktionen auch noch als kluge Verhandlungsführung oder ‚Cleverness‘ verklärt wird. Wer sich damit brüstet, einen Dezernent*innenposten, einen Ausschussvorsitz, Beiratsvorsitz oder eine Ehrung ausgehandelt zu haben, der beweist damit am Ende nur seine Kleingeistigkeit und auf jeden Fall, dass Können und Fakten für sie oder ihn keine Rolle spielen. Gerade in der Kommunalpolitik sollten wir darauf hinarbeiten, die Besten und Geeigneten für wichtige Funktionen auszusuchen. Das ritualisierte Feilschen der Parteien und Fraktionen um Posten wirkt auf Menschen außerhalb des Rathauses ohnehin nur abstoßend und erzeugt Politikverdrossenheit.
Die SSW-Ratsfraktion beantragt deshalb in der kommenden Ratssitzung, dass die Andreas-Gayk-Medaille nach dem 17.09.2021 nicht mehr verliehen wird. Sie ist keine einstimmig verliehene Auszeichnung mehr, sondern ab jetzt nur noch eine parteipolitisch motivierte Gefälligkeit nach Mehrheitsbeschluss. Sie ist der Würde der Kieler Ratsversammlung nicht mehr angemessen.“